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Vorstellung nationaler Chapter: Transparency Guatemala

Acción Ciudadana — Für eine wache und gut informierte Bürgerschaft

Als Manfredo Marroquín, Mitgründer und Präsident von Acción Ciudadana (deutsch: Bürgeraktion), vor knapp 22 Jahren erstmals von „Transparenz“ im Kontext politischer Entscheidungsprozesse sprach, zweifelten die Journalisten an, dass sich der Begriff auch jenseits der Eigenschaftsbeschreibung von Glas nutzen lässt. Sie hielten die Idee einer politischen Transparenzagenda für eine Erfindung, die lediglich dazu dienen solle, sich von der internationalen Gebergemeinde Gelder zu sichern. Als 1998, zwei Jahre nach der Gründung von Acción Ciudadana, Guatemala zum ersten Mal im Korruptionswahrnehmungsindex vorkommt, bezeichnet der damalige Präsident Guatemalas und heutige Bürgermeister der Hauptstadt, Alvaro Arzú, jene als Dummköpfe [„imbécil“] und schamlos [„sinverguenza“], die behaupteten, seine Regierung sei korrupt.

Auch die folgenden 17 Jahre schien das Engagement gegen Korruption einem Kampf gegen Windmühlen gleich. Dies änderte sich genau am 25. April 2015: Damals nahmen tausende von Guatemalteken den Platz vor dem Nationalpalast ein, um den Rücktritt des damaligen Präsidenten und ehemaligen Generals Otto Pérez Molina sowie der Vizepräsidentin Roxana Baldetti zu fordern. Zehn Tage zuvor waren Aufnahmen veröffentlicht worden, die sie als Köpfe eines Schmugglerrings entlarvten. Wochenlang wiederholten die Bürger die massiven Proteste, bis der Präsident im September 2015 zurücktrat (Baldetti bereits zuvor im Mai). Das Undenkbare war geschafft. Das Volk hatte seinen Willen durchgesetzt. Seitdem ist die Bürgerschaft wach und informiert sich.

Zuvor, über knapp zwei Dekaden hinweg, hat sich Acción Ciudadana durch eine beachtliche Projekthistorie im Land einen Namen gemacht. 1999 begann die Organisation die zivilgesellschaftliche Wahlbeobachtung zu organisieren und koordinieren sowie innovative Methoden wie eine Stimmenschnellzählung zu implementieren. Sie liefert seitdem stets vor der nationalen Wahlbehörde erste Hochrechnungsergebnisse, die dem tatsächlichen Endergebnis sehr nah kommen. 2008 wurde von Acción Ciudadana ein Zentrum für Rechtsbeistand und Rechtsberatung eingerichtet. Es gibt Bürgerinnen und Bürgern vor allem die Möglichkeit, Korruptionsfälle zu melden, in die dem Anschein nach öffentliche Institutionen involviert sind. Seitdem hat das Zentrum mehr als 3000 Personen rechtlich beigestanden, mehr als 500 administrative Sanktionen erwirkt, mehr als 75 strafrechtlich relevante Fälle angezeigt sowie mehr als 20 verfassungsrechtliche Klagen eingereicht.

Abgesehen von diesen beiden Hauptarbeitslinien hat Acción Ciudadana zahlreiche Projekte zu den verschiedensten Themenbereichen durchgeführt: Informationsfreiheitsgesetz, Kongressbeobachtung und -analyse, Rohstofftransparenzinitiative, soziale Auditierung von Ernährungsprogrammen in Schulen, innovative Bildungsprojekte wie eine „Korruptionstour“ (eine geführte Stadttour, bei der vor betroffenen Institutionen Korruptionsfälle und ihre Auswirkungen erklärt werden) und anderes mehr. Dank der starken Marke der Organisation, aber auch aufgrund eines Mangels an Compliance-Beratern in Guatemala, war es für uns relativ leicht, eine lokale Privatsektorintegritätsiniative anzustoßen und aufzubauen. Als „Gegenleistung“ für die Beratung, die wir erbringen, versuchen wir wichtige Akteure des Privatsektors dazu zu gewinnen, den Kampf gegen Korruption zu unterstützen.

Dieses Jahr wird für Guatemala entscheidend. Die korrupten Teile der Elite — illegal operierende Netzwerke von Politikern, Unternehmern und staatlichen Funktionären — haben sich mittlerweile organisiert und wollen im Mai die Wahl einer in ihren Augen allzu engagierten Person in das Amt der Generalstaatsanwältin beziehungsweise des Generalstaatsanwalts verhindern. Der Großteil der Bevölkerung fiebert hingegen voller Hoffnung einer Kontinuität der effektiven Korruptionsbekämpfung entgegen. Das Szenario in Guatemala lässt sich nahezu auf folgende Frage herunterbrechen: Wird bei der Wahl „das Gute“ oder „das Böse“ siegen?

Christoph Kowalewski hat 2008 ein Praktikum bei Transparency Deutschland absolviert und arbeitet seit 2015 bei Acción Ciudadana im Rahmen eines mehrjährigen Beratungsseinsatzes der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).