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Kritik unerwünscht? Handlungsräume für Zivilgesellschaft in Gefahr

Transparency Deutschland zu Gast auf der Frankfurter Buchmesse

Von Sylvia Schwab

Wie steht es um die Meinungs- und Pressefreiheit in Europa und Deutschland? Inwiefern gerät die Zivilgesellschaft verstärkt unter Druck? Diese Fragen stellte Transparency Deutschland in diesem Jahr auf der Frankfurter Buchmesse. Das deutsche Chapter war gemeinsam mit Transparency International im Oktober 2019 das erste Mal mit einem eigenen Messestand und einer Veranstaltung bei der Buchmesse vertreten.

Schrumpfende Handlungsräume für zivilgesellschaftliche Organisationen und Medienschaffende sind seit einigen Jahren in mehreren europäischen Staaten zu beobachten. Staatliche Angriffe und der Druck auf regierungskritische Organisationen sowie Journalistinnen und Journalisten nehmen zu und gefährden die Bekämpfung von Missständen wie Korruption.

Anlass genug, dieses Thema im Rahmen der Frankfurter Buchmesse 2019 genauer zu beleuchten. In einer von Hartmut Bäumer moderierten Podiumsdiskussion diskutierten darüber József Péter Martin, Geschäftsführer von Transparency International Ungarn, Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Irina L. Scherbakova, Leiterin der Jugend- und Bildungsprogramme von Memorial International, sowie der Autor und Journalist Christian Bommarius.

József Péter Martin schilderte anfangs die schwierige Situation in Ungarn, wo Regierungskampagnen unter Ministerpräsident Viktor Orbán die Bevölkerung massiv gegen zivilgesellschaftliche Organisationen aufhetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden eingeschüchtert und bedroht, kritische Organisationen haben mit Finanzierungsschwierigkeiten und staatlichen Restriktionen zu kämpfen. Ein ähnliches Bild zeichnete Irina L. Scherbakova von Russland, wo zivilgesellschaftliche Organisationen unter anderem als „ausländische Agenten“ diffamiert werden — darunter auch Transparency International Russland und Memorial International. Optimistisch zeigte sie sich hinsichtlich der jungen Generation in Russland, die für ihre Menschenrechte auf die Straße gehe.

Im Anschluss lenkte Hartmut Bäumer den Blick auf Deutschland und sprach hier von einer „schleichenden Aushöhlung“. Jürgen Resch konnte das aus eigener Erfahrung veranschaulichen: Die Deutsche Umwelthilfe sieht sich nach ihren Klageverfahren im Zuge des Dieselskandals Initiativen zur Aberkennung ihrer Gemeinnützigkeit und ihrer Klagebefugnis in Musterfeststellungsverfahren ausgesetzt. Resch kritisierte die zunehmende Einflussnahme großer Konzerne — insbesondere der Automobil- und Pharmaindustrie — und plädierte für mehr Transparenz und „grenzüberschreitenden Glasnost“ für ganz Europa. Christian Bommarius kam auf das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der Würde des Einzelnen zu sprechen. Seiner Meinung nach kommen Andersdenkende immer weniger zu Wort, der öffentliche Meinungskampf sei kaum mehr möglich.

Nachdem dieses Jahr Campact und Attac die Gemeinnützigkeit entzogen wurde, ist klar, dass auch in Deutschland mehr Rechtssicherheit für politisch aktive Organisationen geschaffen werden muss. Transparency Deutschland hat daher bei der Buchmesse gemeinsam mit dem PEN-Zentrum Deutschland, Reporter ohne Grenzen und Amnesty International Deutschland die deutsche Bundesregierung aufgefordert, sich sowohl auf EU-Ebene und als auch in Deutschland für eine Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen und den Schutz von Medienschaffenden einzusetzen. Der Bundesfinanzminister muss mit seiner angekündigten Reform des Steuerrechts neue Regelungen für die Gemeinnützigkeit und Rechtssicherheit für politisch aktive Organisationen schaffen.

Das Thema war auch am gemeinsamen Messestand von Transparency Deutschland und Transparency International präsent. Dort stellten Vertreterinnen und Vertreter der Geschäftsstelle und des Internationalen Sekretariats mit Unterstützung der Regionalgruppe Frankfurt/Rhein-Main die eigene Arbeit sowie aktuelle Publikationen vor und standen für Fragen der Besucherinnen und Besucher zur Verfügung.