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Der Beirat stellt sich vor: Professor Bartosz Makowicz

„Compliance ist mehr als Rechtseinhaltung“

© Prof. Dr. Bartosz Makowicz

Professor Bartosz Makowicz ist Direktor des Viadrina Compliance Center an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Er gehört seit Januar 2019 dem Beirat von Transparency Deutschland an.

Eine Initialzündung für Ihre Beiratsmitgliedschaft war ja eine Podiumsdiskussion zum Thema Korruptionsprävention im Rahmen der deutschen G20-Präsidentschaft 2017. Die Themen Compliance und strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen wurden tatsächlich auch in die G20 Abschlusserklärung aufgenommen. Hat die Auseinandersetzung mit diesem Thema im Kontext von G20 etwas gebracht?

Auf jeden Fall! Es war längst hinfällig, dass die G20-Staaten das Thema ausdrücklich auf die Agenda nehmen und konkret behandeln. Wenn man sich die Kernbotschaft der B20 (Business 20, Anm. d. Red.) an die G20 anschaut, stellt man fest, dass die G20-Mitglieder, darunter also Deutschland, die Compliance-Bemühungen in den Unternehmen anerkennen sollten. Legen Sie den einige Monate später beschlossenen Koalitionsvertrag daneben, werden Sie wiederum feststellen, dass diese die Reform der Unternehmenssanktionierung und auch die Einführung von solchen Anreizmodellen plant. Das ist für mich eine konkrete Wirkung!

Sie sind ein Verfechter von Normungsarbeit und leiten unter anderem die deutsche Delegation zur Erarbeitung der zwei ISO-Normen zu Compliance-Management-Systemen und Antikorruptions-Management-Systemen. Zukünftig soll es zwei weitere Normen für Whistleblowing und Governance geben. Inwiefern kann man Integrität normieren?

Die Normungsarbeit ist für die daran Beteiligten sehr lehrreich, aber auch sehr herausfordernd, da viele Menschen aus diversen Ländern daran teilnehmen und trotzdem einheitliche Lösungen gefunden werden müssen. Andererseits ist sie auch von erheblichem Nutzen für die Wirtschaft. Sie vereinheitlichen Prozesse, beschleunigen Geschäfte und sorgen für mehr Transparenz und Qualität. Und ob man Integrität normieren kann? Per se wohl nicht. Man kann aber mit Sicherheit die Grundmethoden zusammenführen, die derzeit global für Best Practice gehalten werden, damit diese unter Beachtung der landesspezifischen Gegebenheiten und des konkreten Bedarfs einer Organisation entsprechend umgesetzt werden. Und eben das ermöglichen die ISO-Normen, da sie stets auf gleicher Struktur basieren und in den über 150 ISO-Staaten zur Anwendung kommen.

Wie schätzen Sie aktuell die Compliance-Situation in Deutschland ein? Wo sind Chancen, wo sind Herausforderungen?

Die deutsche Wirtschaft hat in den letzten Jahren die weltweite Compliance-Entwicklung wesentlich eingeholt. Spätestens nach den großen Skandalen haben Unternehmen verstanden, dass Compliance mehr als Rechtseinhaltung ist, sodass wir uns auch hierzulande von Compliance in Richtung Ethik und Integrität entwickeln. Das ist auch der richtige Ansatz, denn Regeleinhaltung hat mit Handeln oder Unterlassen zu tun und diese sind durch Werte und Kultur motiviert. Der Mensch steht somit im Mittelpunkt der Compliance. Chancen sehe ich ferner bei den angelaufenen Reformen der Unternehmenssanktionierung. Wenn die jetzige Koalition tatsächlich das umsetzen wird, was sie nach dem Koalitionsvertrag vorhat, dann werden wir sicherlich einen weiteren Durchbruch erleben. Ich bin aber gespannt, ob dabei auch die Empfehlungen der von Deutschland selbst angeführten G20 aus 2017 umgesetzt werden, das heißt Anreizsysteme für Compliance gesetzlich verankert werden. Das ist eine große Chance, die unser Gesetzgeber nicht verspielen sollte, auch vor dem Hintergrund der globalen Wettbewerbsfähigkeit des Marktstandortes. Gleiche Chancen und Risiken wird sicherlich auch die Digitalisierung bringen.

Die Fragen stellte Caterina Marcucci.