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Der Beirat stellt sich vor: Klaus Staeck

„Angesichts einer Pandemie bekommt der Begriff der Weltgemeinschaft einen konkreten, neuen Sinn“

Der als politischer Plakatkünstler bekannt gewordene Klaus Staeck ist seit drei Jahren Mitglied im Beirat von Transparency Deutschland. Sein umfassendes Werk, in dem er seit den 1960er Jahren Missstände anprangert und Haltung zeigt, wurde weltweit in mehr als 3.000 Ausstellungen präsentiert.

In einem Interview mit der taz zu Ihrem 80. Geburtstag vor zwei Jahren haben Sie gesagt: „Ich versuche weiter, ein Störer der bequemen Verhältnisse zu sein. Nichts ist erledigt, lautet mein Credo.“ Was treibt Sie im Moment um?

Wie werden wir uns, wenn wir gesund die Corona-Pandemie überlebt haben sollten, dem wichtigsten Thema zuwenden — die Klimakatastrophe zu vermeiden und zugleich die Wirtschaft wieder auf ein vernünftiges Niveau hochzufahren? Wie wird es uns gelingen, die Einschränkungen in der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit, in der Unantastbarkeit unserer Grundrechte wieder auf das Maß zu bringen, das unsere Verfassung den Bürgern zubilligt? Wie werden wir die Autonomie über unsere Daten in Zukunft besser sichern — das heißt auch, den Datenschutz gegenüber den global agierenden Großkonzernen der digitalen Wirtschaft dauerhaft durchsetzen?

Vor allem aber habe ich nach dem einschneidenden Erlebnis der Viruskrise die Sorge, wie unser Leben in den Städten und Gemeinden wieder in normale Bahnen zurückkehren kann. Wie gelingt es unserer Gesellschaft, die am meisten bedrohten kleinen Firmen und Läden zu erhalten, ohne dass ihre Eigentümer an den Schulden und Krediten, die aufgelaufen sind, ersticken? Wie wird das kleine Kino in Betrieb bleiben, wie die Buchhandlung, die nicht zu einer großen Kette gehört? Wir alle haben eine Mitverantwortung, dass Künstler, die ohnehin von einem Auftrag oder Verkauf zum anderen leben mussten, ihre berufliche Existenz sichern können, anstatt endgültig ins Prekariat abzugleiten. Von „bequemen Verhältnissen“ kann derzeit keine Rede mehr sein. Die Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, sind so groß, dass einem die Phantasie für die Lösungswege aus der Krise ausgehen könnte. Und den Menschen in ärmeren Ländern muss ungeachtet der Situation in Deutschland oder in der europäischen Gemeinschaft unsere Solidarität gelten. Angesichts einer Pandemie bekommt der Begriff der Weltgemeinschaft einen konkreten, neuen Sinn.

Wie sehen Sie die gesellschaftliche Rolle von Transparency Deutschland? Wofür treten Sie im Beirat ein?

Ich versuche, meine vielfältigen Erfahrungen als Künstler, Kunsthändler, Anwalt, politischer Aktivist und langjähriger Akademiepräsident in die notwendige Arbeit von Transparency einzubringen. Jede demokratische Gesellschaftsform wird durch wildwuchernde Korruption gefährdet. Transparency sucht durch größtmögliche Transparenz dem Einhalt zu gebieten.

Welche Bedeutung haben Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle heute in der politischen Debatte?

Sie haben sich auf ihre Weise einzumischen. Sie müssen, bei aller Unabhängigkeit und Freiheit der Kunst, immer auch den sozialen Aspekt im Blick haben. Kunst nicht zu betreiben, um einem Eskapismus zu frönen, sondern um den Menschen etwas zu geben, was ihnen Hoffnung statt Angst vermittelt. Künstler haben nach meinem Selbstverständnis beizutragen, das Bild einer gerechten Gesellschaft zu entwerfen, Unmenschlichkeit und Gewalt anzugreifen, die Selbstgerechtigkeit politischer Despoten oder gewinnversessener Spekulanten zu entlarven. Dabei aber nicht zu vergessen, dass es immer um Kunst geht und nicht um „Agitation und Propaganda“.

Die Fragen stellte Adrian Nennich.