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10. Konferenz zur Strafverfolgung der Korruption: Keynote von Staatssekretärin Dr. Angelika Schlunck

Berlin, 07.11.2023

Zum zehnten Mal organisierten Transparency International Deutschland e.V. und die Friedrich-Ebert-Stiftung am 6. und 7. November 2023 gemeinsam die Konferenz zur Strafverfolgung der Korruption. Das Ziel der Strafverfolgungskonferenzen ist es, die aktuellen Herausforderungen der Korruptionsbekämpfung aus Sicht der Strafverfolgung zu erläutern und gemeinsam über die möglichen Lösungsansätze zu diskutieren.

Das Programm finden Sie hier. Eine kurze Zusammenfassung der Konferenz finden Sie in der Scheinwerfer-Ausgabe 101 auf S. 30.

Am zweiten Tag der Konferenz ging Dr. Angelika Schlunck, Staatssekretärin im Bundesministerium der Justiz, in einer Keynote auf aktuelle Aspekte der Korruptionsbekämpfung ein. Im Folgenden finden Sie eine Dokumentation der Rede im Volltext (es gilt das gesprochene Wort!).


Sehr geehrte Frau Herzog,
sehr geehrte Frau Bläsius,
meine sehr verehrten Damen und Herren!

Ich freue mich sehr, heute hier sein zu dürfen.

Zum einen, weil ich weiß, wie sehr diese beeindruckende Veranstaltung von Fachleuten aus Politik und Praxis geschätzt wird. Zum anderen, weil es sich um eine ganz besondere Ausgabe der Strafverfolgungskonferenz handelt: Wir feiern dieses Jahr ihr zehnjähriges Bestehen. Und zu diesem runden Geburtstag gratuliere ich Ihnen ganz herzlich.

Dieses Jubiläum fällt mit zwei weiteren Jahrestagen zusammen: der Gründung von Transparency International vor 30 Jahren und der Annahme des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption vor 20 Jahren. Und warum nenne ich die beiden hier in einem Atemzug? Weil es ohne die Gründung von Transparency wohl kein Übereinkommen der Vereinten Nationen gäbe. 

Als Ihre Organisation 1993 in Berlin gegründet wurde, war Korruption zumindest in der deutschen Öffentlichkeit eher ein Randthema. Man nahm davon schulterzuckend Notiz. In gewissem Maße galt Korruption sogar als sozialadäquat, galt der Ehrliche doch nicht selten als dumm. Vor den Folgen von Korruption gerade auch für ärmere Länder verschloss man vielerorts die Augen.

Heute hat sich die Einstellung zu Korruption in Politik und Gesellschaft nachhaltig geändert. Es herrscht Konsens: Korruption ist schlecht. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Korruption sind verheerend. Ohne Transparenz und Integrität leidet unser Staatswesen. Und diese flächendeckende Einsicht ist zu einem ganz großen Teil Ihrer Arbeit zu verdanken.

Als großen Erfolg Ihrer Arbeit können Sie noch ein weiteres Thema verbuchen: Den besseren Schutz von Hinweisgebern. Für diesen haben Sie sich immer eingesetzt.

Das verbindet Ihre Arbeit in besonderer Art und Weise mit der unsrigen. Seit Juli 2023 besteht in Deutschland erstmal ein kohärentes Hinweisgeberschutzsystem.

Die neuen Regeln etablieren eine positive Fehlerkultur. Denn Whistleblower erfüllen in der Demokratie eine wichtige Funktion: Sie sorgen für Transparenz. Deshalb sind Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer nunmehr verpflichtet, eine interne Hinweisgeberstelle einzurichten.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die dort Hinweise abgeben, sind rechtlich vor Repressionen geschützt. Damit wird ihnen die Sorge genommen, sich selbst als Überbringer einer schlechten Nachricht zu schaden. Sollte kein Vertrauen in die interne Meldestelle bestehen, gibt es auch externe.

Hinweisgeberschutz ist zugleich Selbstschutz für unsere Wirtschaft. Durch frühes Einschreiten lässt sich verhindern, dass sich korruptive Praktiken einschleichen und verfestigen. Haftungsansprüche und Reputationsschäden, die mit einer späteren externen Aufdeckung verbunden wären, lassen sich so vermeiden. Denn niemandem ist geholfen, wenn Probleme unter den Teppich gekehrt werden.

Die neuen Regelungen sind daher keine Einladung, sein Unternehmen zu verpfeifen. Sondern sie fördern vielmehr den in der liberalen Demokratie so wichtigen, offenen Diskurs. Wir wollen einen Rahmen schaffen, in dem Management und Belegschaft gemeinsam das Unternehmen auf erfolgreichen Bahnen halten können. Ein effektiver Hinweisgeberschutz ist ein wesentlicher Baustein für ein gutes Compliance-System; und das Gesetz ist so gestaltet, dass damit keine neuen Papierberge entstehen.

Noch ein weiterer Baustein der Korruptionsbekämpfung ist Ihnen und auch der Bundesregierung ein Kernanliegen: Die Verhinderung und Verfolgung von Geldwäsche in Deutschland.  Wirecard, Panama Papers, Danske Bank, FinCen Files und so weiter: Die Liste der Geldwäscheskandale der vergangenen Jahre mit Verbindungen nach Deutschland ist lang. Dabei geht es um hunderte Milliarden an illegalen Geldflüssen.

Korruption blüht nicht zuletzt dort, wo es Tätern gelingt, ihre Profite zu verschleiern und diese legal in die Wirtschaft einzuschleusen. Der Weg vom schmutzigen Geld zum sauberen Geld befeuert neue Straftaten – gerade der organisierten Kriminalität. Deshalb ist es wichtig, nicht nur die Taten zu ahnden. Der Spur des Geldes ist es, der wir nachgehen müssen, um für eine wirksame und schlagkräftige Finanzermittlung und Vermögensabschöpfung zu sorgen.

Die Financial Action Task Force, die weltweit Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche definiert, hat uns dazu bei ihrer Deutschlandprüfung im letzten Jahr einige Punkte ins Stammbuch geschrieben. Diese gehen wir jetzt an: Die Bundesregierung hat im Oktober auf Vorschlag des Bundesfinanzministers den Entwurf des Finanzkriminalitätsbekämpfungsgesetzes in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.

Mit diesem wollen wir die Bekämpfung von Geldwäsche in Deutschland grundlegend neu strukturieren. Unter dem Dach des neugeschaffenen Bundesamts zur Bekämpfung von Finanzkriminalität werden zwei Kernkompetenzen gebündelt: Die der Geldwäscheprävention und die der Geldwäschestrafverfolgung.

Ein „Ermittlungszentrum Geldwäsche“ soll zukünftig auf polizeilicher Seite die Verfolgung bedeutsamerer internationaler Fälle von Geldwäsche priorisieren, damit uns vor allen Dingen die dicken Fische nicht davonschwimmen. Die Geldwäscheaufsicht wird durch die neue Behörde schlagkräftiger ausgestaltet.

Ein Sektor ist dabei im besonders anfällig für Geldwäsche: Der Immobiliensektor. Deshalb ist ein schneller volldigitaler Zugriff auf Immobiliendaten wichtig für die Vermögensabschöpfung. Im Verantwortungsbereich des Bundesamtes zur Bekämpfung der Finanzkriminalität wird daher ein Immobilientransaktionsregister eingerichtet. Ein Barzahlungsverbot bei Immobiliengeschäften ist mit dem Sanktionsdurchsetzungsgesetz II bereits im April 2023 in Kraft getreten.

Aber illegale Geldflüsse machen nicht an der Grenze halt. Wir brauchen eine kohärente europäische Geldwäschebekämpfungsarchitektur. Deshalb arbeitet Brüssel gerade mit Hochdruck an einem ambitionierten Reformpaket. Die EU will die geldwäscherechtlichen Vorgaben europaweit vereinheitlichen und diese von einer Richtlinie in eine Verordnung überführen.

Das Herzstück der Reform ist die Einrichtung einer Europäischen Geldwäschebekämpfungsbehörde. Deren Ziel ist es, die europaweite Geldwäscheaufsicht über Banken zu vereinheitlichen und verbessern. Deutschland bewirbt sich mit Frankfurt um den Sitz dieser Agentur. Denn als wichtigster Finanzplatz Kontinentaleuropas ist die Metropole am Main dafür genau der richtige Ort.

Die vor einigen Monaten aufgedeckten Bestechungsskandale im Europäischen Parlament haben uns alle schockiert. Die Vorfälle, die bis in die Führungsreihen der Institution hineinreichten, trafen die europäische Demokratie bis ins Mark. Die Aufarbeitung dieser Skandale hatte ein weiteres großes Paket zur Korruptionsbekämpfung auf europäischer Ebene zur Folge.

Insgesamt sieben Tatbestände sieht die Richtlinie vor, die in diesem Zusammenhang vorgeschlagene wurde. Damit die Täter EU-weit mit den gleichen Strafen rechnen müssen, will Brüssel die Definition der Straftaten vereinheitlichen, die als Korruptionsdelikte verfolgt werden. Mit dem Vorschlag sollen alle Straftaten gemäß dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption nun eins zu eins ins EU-Recht übernommen werden.

Für das deutsche Strafrecht sind einige der Tatbestände eine Novität. Der Katalog der Korruptionsdelikte im StGB im öffentlichen Sektor war bisher im Wesentlichen auf die Bestechung und die Vorteilsnahme begrenzt; nun sollen das „trading in influence“ („Unerlaubte Einflussnahme“), der „Amtsmissbrauch“ und die „Bereicherung durch Korruption“ hinzukommen. Auch Korruption im privaten Sektor wird in demselben Rechtsakt behandelt. Daneben enthält der Vorschlag Neuerungen zur Korruptionsprävention.

Das Brüsseler Vorhaben bedarf sicherlich an der ein oder anderen Stelle noch des Feinschliffs. An einigen Stellen schießt es nämlich über das Ziel hinaus.

Ein Beispiel: Der Straftatbestand des Amtsmissbrauchs. Dieser könnte bei Vorsatz jede fehlerhafte Verwaltungsentscheidung zu einer Straftat machen. Dies könnte sogar auch für Entscheidungen von Unternehmensmitarbeitern gelten.

Aber wo Menschen tätig sind, geschehen Fehler. Daher sollten wir hier nicht gleich die Keule des Strafrechts schwingen.

Auch würde eine Maximalharmonisierung des Korruptionsstrafrechts die nationalen Rechtssysteme vor große Herausforderungen stellen.

In der Sache sind wir uns aber alle einig: Wir müssen in Europa eine Kultur der Integrität schaffen. Hier müssen die europäischen Staaten an einem Strang ziehen. Deshalb unterstützen wir die vielen guten Ansätze, die der Vorschlag enthält.

Auch in Deutschland sind nicht alle Mandatsträger vor Korruption gefeit. Man denke da etwa an die „Masken-Affäre“ in der letzten Legislaturperiode. In Deutschland machen sich Mandatsträger gegenwärtig aber nur strafbar, wenn sie "in Wahrnehmung ihres Mandats" gehandelt haben. Eine Voraussetzung, die etwa der Bundesgerichtshof im Falle von Maskendeals von Abgeordneten verneinte.

Wenn Mandatsträgerinnen und Mandatsträger die ihnen im Interesse des Allgemeinwohls anvertraute Position durch Einflusshandel wie bei den Maskendeals derart zum eigenen Vorteil ausnutzen, untergräbt dies das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Und das darf nicht sein. Strafbarkeitslücken müssen geschlossen werden. Da sind wir uns alle einig. Das Mandat ist nicht käuflich.

Eines darf in einer freiheitlichen Demokratie dabei jedoch nicht angetastet werden: Und das ist der Grundsatz des freien Mandats. Da unterscheidet sich die Tätigkeit eines Mandatsträgers von der eines Beamten.

Deshalb empfinden wir die Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern bei den Korruptionstatbeständen wie sie EU-Kommission jetzt im Rahmen des Pakets zur Korruptionsbekämpfung vorgeschlagen hat als nicht sachgerecht.

Dies hat der Bundesjustizminister kürzlich in einem offenen Brief an den Deutschen Bundestages betont. Er hat das für die Strafbarkeit von Mandatsträgern zuständige Parlament um Mitteilung gebeten, wie die Bundesregierung nun in Brüssel weiterverhandeln soll. Wir haben in diesem Zusammenhang mit Freude zur Kenntnis genommen, dass dieses Vorgehen in Ihren Reihen einigen Zuspruch erhalten hat.

Und noch ein Vorhaben will ich in diesem Zusammenhang kurz erwähnen: Das Lobbyregister, das seit 2022 auf der Internetseite des Bundestags einsehbar ist, soll in einigen Punkten noch strenger werden. Dafür hat sich Transparency International ja auch eingesetzt.

Die Kollegen aus dem Bundesinnenministerium haben deshalb vorgeschlagen, dass zukünftig angegeben werden muss, auf welche konkreten Gesetzes- oder Verordnungsvorhaben sich Interessenvertretungen beziehen. Auch soll genauer hingeschaut werden, wenn eine Lobbyistin oder ein Lobbyist die Interessen von Drittstaaten vertritt.

Geht ein Mandats- oder Amtsträger durch die sprichwörtliche Drehtür und wechselt in die Interessenvertretung, muss er im Lobbyregister seine aktuellen und früheren Ämter und Mandate offenlegen.

Aber auch hier wollen wir kein neues Bürokratiemonster schaffen. So werden Kontakte von Lobbyisten zu Mitarbeitern im Parlament nur bis zur Referatsleiterebene in den Ministerien einbezogen, nicht jedoch weiter runter bis zur Referentenebene. Und das ist auch gut so.

Meine Damen und Herren, das sind harte Bretter, die wir da bohren. Durch Korruption entgehen unserem Staat und der deutschen Wirtschaft jährlich Milliarden. Ihre couragierte Arbeit, die Sie als führende Antikorruptionsorganisation nicht nur in Deutschland, sondern weltweit leisten, ist deshalb von unschätzbarem Wert.

Sicherlich sind wir nicht immer einer Meinung. Aber wie sagt man ja bekanntlich: „Das kann in den besten Beziehungen passieren“. Nur die gemeinsame Basis, die muss stimmen. Und das tut sie.

Denn in einem Punkt sind wir uns uneingeschränkt einig: Korruption zerstört Demokratien. Die Einhaltung der Grund- und Menschenrechte ist nur ohne Korruption möglich. Deshalb muss Deutschland bei der Korruptionsbekämpfung noch besser werden. Ich bin sehr froh, dass wir hier das gleiche Ziel verfolgen.

Viele Dank für Ihre Aufmerksamkeit!