Aktuelles
Hinweisgeberschutz

Hinweisgebertagung

Datum: 26.02.2013 - 26.02.2013
Ort: Berlin

 Am 26. Februar 2013 hat Transparency Deutschland zusammen mit dem Land Baden-Württemberg einen "Erfahrungsaustausch der Vertrauensanwälte, Ombudsleute und Anti-Korruptionsbeauftragten des Bundes und der Länder" in Berlin veranstaltet. Zum zweiten Mal wurde mit dieser Tagung die Möglichkeit geboten, sich mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern und dem Bund sowie mit externen Fachleuten auszutauschen.

 


Wie können Hinweisgeber gestärkt werden? Ein Erfahrungsaustausch von Transparency Deutschland

Effiziente Korruptionsprävention erfordert den Schutz des „ethischen Dissidenten“ oder uneigennützigen Hinweisgebers. Daher fordert Transparency Deutschland seit Jahren eine Verbesserung des rechtlichen Schutzes von Hinweisgebern und die Integration des Schutzes von Hinweisgebern in die Führungsleitlinien aller Wirtschaftsunternehmen. An den Lebensmittelskandalen zu falsch deklariertem Pferdefleisch und schlechten Haltebedingungen von Legehennen erwies sich ein weiteres Mal, wie wichtig Hinweisgeber aus dem betroffenen Umfeld zur Aufdeckung von Betrug sein könnten: Wenn sich Mitarbeiter von Unternehmen und Behörden mutiger gegen Betrug einsetzen könnten, ohne um ihre Existenz fürchten zu müssen, könnte Wirtschaftskriminalität besser vorgebeugt werden. „Die gegenwärtige Fokussierung allein auf mehr staatliche Kontrolle ist deshalb falsch“, kritisiert Transparency Deutschland den unzureichenden Hinweisgeberschutz in Deutschland. Auf dem zweiten Erfahrungsaustausch der Vertrauensleute und Korruptionsbeauftragten am 26. Februar 2013 in Berlin diskutierten Vertrauensanwälte, Obleute und Korruptionsbeauftragte des Bundes und der Länder unter Moderation von Dr. Peter Hammacher, Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeber von Transparency Deutschland, über Anforderungen an ein funktionierendes Hinweisgebersystem. Konkret heißt das:

 

- Bekenntnis der politischen Führungsebene zu Whistleblowerschutz
- Klare Verfahrensregelung für das Hinweisgebersystem hinsichtlich Themen- kreis und Bearbeitung
- Einbeziehung von Bürgern und Mitarbeitervertretung
- Beachtung aller gesetzlichen Anforderungen
- garantierter Schutz vor Nachteilen aller Art
- Anerkennung des Hinweisgebers
- Sicherstellung des Schutzes und der Rechte von (zu Unrecht) Beschuldigten
- regelmäßige Evaluation, Anpassung und Weiterentwicklung des Systems


Die Erfahrungsberichte stimmten darin überein, dass rund 80 Prozent aller Hinweise keinen Anfangsverdacht auf Korruption begründen; etwa 20 Prozent führen zu Ermittlungsverfahren durch Polizei/Staatsanwaltschaft. In Schleswig-Holstein konnten von den seit 2007 getroffenen 358 Kontaktaufnahmen mit Hinweisgebern nach ausgiebiger Prüfung durch den Ombudsmann 93 Fälle an Polizei oder Staatsanwaltschaft übergeben werden. Größtenteils beziehen sich Hinweise auf Vergabeunregelmäßigkeiten und Ausschreibungsmanipulationen. Zwei Drittel der Hinweisgeber sind MitbürgerInnen; ein Drittel MitarbeiterInnen aus öffentlichen oder privaten Organisationen. In Baden Württemberg erzeugte ein internetbasiertes, anonymes Hinweisgebersystem ergebnisrelevante Resonanz: Seit seiner Installation beim Landeskriminalamt im September 2012 erfolgten bereits 20.000 Zugriffe auf das System. Die meisten Hinweise - 293 - wurden zu politisch motivierter Kriminalität gegeben, davon waren 113 sachdienlich. Zu Wirtschaftskriminalität gab es 93 Hinweise, von denen 70 sachdienlich waren. Jenseits jeglicher Statistiken waren sich die Teilnehmenden darüber einig, dass Hinweisgebersysteme ein Risiko für potentielle Täter bedeuten und schon allein deshalb der Kriminalprävention dienen. Die „Legehennen“-Ermittlungen wurden durch ein Zivilverfahren vor dem Osnabrücker Landgericht ins Rollen gebracht, als das Gericht die Akte an das Niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit weiterleitete. Bei dem Ausmaß der bekannt gewordenen Missstände erscheint es unwahrscheinlich, dass es keine potentiellen Hinweisgeber gegeben hat. Während aber in vielen europäischen Ländern und den USA der Schutz von Hinweisgebern gesetzlich verstärkt wurde, hat sich seit dem Gammelfleisch-Skandal vor fünf Jahren, der zu einer deutlichen Erweiterung des Maßregelungsverbotes im BGB führte, für Angestellte in Deutschland nichts verändert. Das Feedback der rund 50 Teilnehmer zur Veranstaltung war durchweg positiv; sie befürworteten eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe in zwei Jahren. Dr. Herbert O. Zinnell, vom Innenministerium des gastgebenden Baden-Württembergs, schloss die Veranstaltung mit einer Würdigung der Arbeit von Transparency als Nichtregierungsorganisation ab und forderte dazu auf, auch künftig die Arbeit der Regierungen kritisch zu begleiten.

Ulrike Neundorf ist Mitglied der Arbeitsgruppe Hinweisgeber. Die Präsentationen, Reden und Handouts der Veranstaltung können im Veranstaltungsarchiv unter www.transparency.de eingesehen werden

Dieser Artikel ist im Scheinwerfer 59 (S.24) vom Juni 2013 erschienen

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