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Vorstellung nationaler Chapter: Transparency Slowakei

Kein öffentlicher Auftrag ohne vollständige Online-Veröffentlichung

Die Ermordung des investigativen Journalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten hat in der Slowakei zu einem politischen Erdbeben geführt. Gabriel Šípoš, Director von Transparency International Slovensko, berichtet im Gespräch mit dem Scheinwerfer von seiner Arbeit und zeigt sich überzeugt: Die politische Kultur des Landes muss sich ändern.

Wie und wann kam es zur Gründung von Transparency Slowakei?

Das Chapter wurde 1998 als Reaktion auf eine Serie von Korruptionsfällen in den 1990er gegründet. Damals fand der Wechsel vom Kommunismus zum Kapitalismus statt. Große Teile staatlichen Eigentums wurden privatisiert; die Herausbildung von lokalen Oligarchen eine Folge davon. In den Anfangsjahren stellte dies ein wichtiges Arbeitsfeld von Transparency Slowakei dar.

Wie viele Mitglieder hat Transparency Slowakei und wie finanzieren Sie sich?

Wir sind keine Organisation, die sich finanziell auf Mitglieder stützt und sehen uns stattdessen als Think-Tank mit einem vierköpfigen Aufsichtsgremium und 30 freiwilligen Mitarbeitern. Als Nichtregierungsorganisation umfasst unser jährliches Budget 200.000 Euro. Ein Viertel stellen individuelle Spenden, ein weiteres Viertel EU-Fördermittel dar, während der Rest von privaten Institutionen und Unternehmen gespendet wird.

Welche Erscheinungsformen hat Korruption in der Slowakei?

Hohe Geldsummen verschwinden durch korrupte öffentliche Aufträge, wie zum Beispiel IT-Dienstleistungen und Straßenbau. Viele dieser Projekte werden durch EU-Strukturfonds finanziert. Alltagskorruption zeigt sich häufig in Form von Zahlungen in Krankenhäusern, um bessere medizinische Leistungen und eine schnelle Behandlung zu erhalten. Während die Polizei solche Delikte verfolgt, werden große Korruptionsfälle nicht weiter untersucht — aufgrund von politischem Druck.

Was hat sich in Sachen Korruptionsbekämpfung seit der Gründung von Transparency Slowakei getan?

In den ersten Jahren haben wir versucht die Wahrnehmung zu erhöhen und uns für legislative Änderungen in Form eines Informationsfreiheitsgesetzes eingesetzt. In einigen Fällen verfügt die Slowakei heute über die besten Transparenz-Mechanismen der EU. Beispielsweise ist kein öffentlicher Auftrag gültig, bis er nicht vollständig online veröffentlicht und für jeden einsehbar ist, wie öffentliche Mittel investiert werden. Gerichtsurteile werden ebenfalls online gestellt, so dass die Öffentlichkeit nachvollziehen kann, ob Kriminelle durch ein gerechtes Gerichtsverfahren verurteilt wurden.

Haben sich der investigative Journalismus und Whistleblowing in den letzten Jahren Ihrer Meinung nach verändert?

Die Ermordung von Ján Kuciak stellt eher eine Ausnahmesituation und nicht die Regel dar. Ich gehe nicht von einem dramatischen Sicherheitswandel aus. Als Reaktion traten der Premierminister und der Innenminister zurück, also zwei Politiker, die maßgeblich für die schwache Korruptionsbekämpfung verantwortlich waren. Ich bin überzeugt, dass es eher darum geht, die politische Kultur anstatt die Gesetzeslage in der Slowakei zu ändern. Eine viel größere Gefahr für den Journalismus stellt finanzieller Druck dar und Oligarchen, die Medien aus der Schweiz und amerikanische und deutsche Verleger aufkaufen. Im Vergleich etwa zu Ungarn senden die slowakischen Mainstream-Medien weiterhin eine große Vielfalt an Meinungen, die auch die Regierung und die Oligarchen kritisieren. Wir benötigen eine höhere informelle Rechenschaftspflicht und einen größeren Respekt für die Medien, Nichtregierungsorganisationen und natürlich die slowakischen Bürgerinnen und Bürger selbst.

An welchen Projekten arbeitet Transparency Slowakei im Augenblick?

Demnächst finden Bezirkswahlen statt, wir veröffentlichen dazu ein Transparenz-Ranking der 100 größten Städte. Das Ranking korreliert mit dem Wahlverhalten: In den letzten Jahren wurden Kandidaten mit den schlechtesten Anti-Korruptionsleistungen von den Wählern abgestraft. Außerdem organisieren wir eine Koalition aus Privatunternehmen, um Whistleblowing im öffentlichen Dienst voranzubringen. Die Unternehmen helfen Hinweisgebern dabei, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, wenn sie ihre alte Stelle aufgeben müssen. Dies stellt ein Entscheidungskriterium für aufrichtige Angestellte dar, ob sie auf Missstände hinweisen wollen oder nicht.

Die Fragen stellte Lukas Gawor.