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Vorstellung korporativer Mitglieder: Konsequente Antikorruptionspolitik bei HOCHTIEF

Interview mit Hartmut Paulsen, Rechtsanwalt und Generalbevollmächtigter von HOCHTIEF.


Wie gestaltete sich der Beitritt von HOCHTIEF bei Transparency Deutschland im Jahr 1999 konkret?
Im Jahr 1999 existierte bei HOCHTIEF bereits ein weit entwickeltes Ethik-Management-System. Mit dem Beitritt zu Transparency International wollten wir uns auch öffentlich zu einer konsequenten Antikorruptionspolitik bekennen. Ferner ergab sich dadurch die Möglichkeit, aus den Erfahrungen der Organisation zu schöpfen. Wir begrüßen deshalb, dass Transparency Deutschland auch juristischen Personen die Möglichkeit einer Mitgliedschaft anbietet. HOCHTIEF ist heute als einziges Bauunternehmen auf dem deutschen Markt Mitglied von Tranparency und bekennt sich zu korruptionsfreier Geschäftstätigkeit. Der Konzern hat damit eine Vorreiterrolle in der Bauindustrie übernommen. Wir stehen aus Überzeugung für faires Wettbewerbsverhalten sowie Transparenz in der Baubranche. Einer der wesentlichen Punkte für den Beitritt war es, Zeichen zu setzen, nach innen und außen. Dabei ist klar: HOCHTIEF allein kann keinen Kampf gegen die Korruption führen.

Inwiefern haben sich seitdem die Grundsätze für das Verhalten im Geschäftsverkehr für die Mitarbeiter Ihres Unternehmens verändert?
In unserem Verhaltenskodex, dem Code of Conduct (CoC), sind verbindliche Verhaltensregeln zusammengefasst. Er ist Bestandteil aller Arbeitsverträge. Von den Mitarbeitern aller HOCHTIEF-Gesellschaften erwarten wir, dass sie nach diesen ethischen Grundsätzen handeln. Verstöße gegen die Richtlinien wie die Annahme von Geschenken führen zu Maßnahmen bis hin zur Kündigung des  Arbeitsverhältnisses. Zur Unterstützung bieten wir unseren Mitarbeitern fortlaufend interne Schulungen an. Außerdem können sich unsere Mitarbeiter im Bedarfsfall – auch anonym – an die Ethik-Hotline wenden, die von einem hausinternen Anwalt betreut wird, der dem Anwaltsgeheimnis unterliegt. Wer ihn anspricht, bekommt absolute Vertraulichkeit zugesichert – das ist die Voraussetzung, um Offenheit zu erreichen. Im Laufe der Zeit haben sich die Anrufe qualitativ verändert: Die Hinweise auf korruptive Sachverhalte (Whistleblowing) sind in den Hintergrund getreten. Heute geht es mehr um Prävention: Jemand hat etwas, mit dem er nicht klarkommt; er meldet sich und braucht Hilfe. Der nächste Schritt kann sein, dass derjenige aus der Anonymität heraustritt und sagt: „Ich habe hier ein zweifelhaftes Ansinnen, lasst uns das vernünftig aufarbeiten. Was kann ich tun, ohne mich und meine Mitarbeiter zu gefährden? Wie kann ich dennoch zum Auftrag kommen?“ 

Tranparency Deutschland weist beständig darauf hin, dass zur Verhinderung von korruptem Verhalten die besten firmeninternen Regelwerke nicht greifen, solange sie nur als wohlfeile Worte auf dem Papier stehen und nicht von den Mitarbeitern getragen werden. Wie haben Ihre Mitarbeiter auf das Firmenengagement im Kampf gegen Korruption reagiert?
Unsere Führungskräfte-Workshops sind die Keimzelle des heutigen Verhaltenskodex. In Gesprächen und Diskussionen haben sich unsere Mitarbeiter eingebracht und sind direkt an seiner Entstehung beteiligt gewesen. Die Unternehmensbereiche und damit die operativen Abteilungen haben durch Teilnahme an einer Projektgruppe an der Ausarbeitung des CoC mitgewirkt. Wir haben großen Zuspruch für unser Vorgehen von den Mitarbeitern erhalten.

Wie gestalten Sie die Schulungsmaßnahmen für Ihre Mitarbeiter?
Wir bieten unseren Mitarbeitern allgemeine Schulungsmaßnahmen zum Thema Korruption an, die unsere Rechtsabteilung durchführt. Etwa das so genannte „Dilemma-Spiel“: Ein Rollenspiel, bei dem ein Mitarbeiter mit einem Korruptionsfall aus der Praxis konfrontiert wird und so handeln soll, wie er es in der Realität tun würde. Diese Schulungsmaßnahmen sind in unser Mitarbeiterschulungs- und Fortbildungsprogramm integriert. Außerdem entwickeln wir derzeit ein intranetbasiertes Antikorruptions-Frage- und Antwortprogramm, das zukünftig von jedem Mitarbeiter ein Mal jährlich abgearbeitet werden muss. 

Wie wird dieses Training angenommen, welches Feedback erhalten Sie von Ihren Mitarbeitern? 
Das „Dilemma-Spiel“ erfreut sich großen Zuspruchs und ebensolcher Beliebtheit. Die Schulungen sind Pflicht und werden gut bewertet. 

Wo verorten Sie HOCHTIEF im Kampf gegen korruptes Geschäftsgebaren im Vergleich zu anderen internationalen Baudienstleistern? 
Trotz unserer Bemühungen im Rahmen von internationalen Initiativen wie PACI (Partnering Against Corruption Initiative) und der Aktivitäten des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie haben wir leider noch zu sehr eine Avantgarde-Funktion. Nur einige amerikanische Unternehmen und Skanska verhalten sich ähnlich konsequent. 

Wie beeinflusst die Beteilung an der Koalition gegen Korruption die Geschäfte von HOCHTIEF weltweit? Kommt es noch oft vor, dass Sie mit zusammengebissenen Zähnen auf lukrative Aufträge verzichten, weil es dort ohne offensichtliche Manipulationen keinen Zuschlag geben würde? Oder überwiegen positive Reaktionen von Geschäftspartnern angesichts Ihrer Prinzipien? 
Positive Erfahrungen liegen noch nicht in allen Ländern vor. Wir müssen in der Tat noch oft die „Zähne zusammenbeißen“. Selbst in Deutschland stoßen wir bei der Bekämpfung von Korruption noch auf Hindernisse und teilweise Unverständnis, sogar bei Auftraggebern. Auch die Einbeziehung unserer Nachunternehmer macht Schwierigkeiten. Bei Klein- und Mittelbetrieben ist der formale Aufwand zur Einführung eines Korruptionsbekämpfungsverfahrens, wie wir es haben, sehr hoch. Dort gibt es oft keinen Verhaltenskodex, keine Mitarbeiterschulungen zu dem Thema, keine Überprüfung durch eine unabhängige Revision und keine Hotline. Begrüßenswert sind deshalb Initiativen, wie sie jetzt der Bundesverband Materialwirtschaft für Zulieferbetriebe plant.

Das Interview führte Andrea Priebe.