Vorstellung korporativer Mitglieder: Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik (dnwe)
Interview mit Prof. Dr. Albert Löhr, Vorsitzender des Vorstandes des dnwe.
Was sind die Grundanliegen des dnwe?
Das dnwe wurde 1993 in der Absicht gegründet, als Mittler zwischen Wissenschaft und Praxis und Antreiber der wirtschaftsethischen Diskussion zu fungieren, ein für die 90er Jahre keineswegs selbstverständlicher Anspruch. Als gemeinnützige, partnerschaftliche Initiative bietet das dnwe ein Netzwerk an Ideen, Wissensvermittlung und Projekten, die die ethische Orientierung wirtschaftlichen Handelns fördern sollen. An der Arbeit des Vereins, der mittlerweile über 600 Mitglieder zählt – Firmen, Organisationen ebenso wie Privatpersonen – beteiligen sich die meisten Lehrstühle für Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum, zahlreiche Unternehmensvertreter und Interessensgruppen sowie Verbände, Medienvertreter und Nicht-Regierungsorganisationen. Die Aktivitäten des dnwe sind auch in das europäische Business Ethics Network (EBEN) eingebunden, das wiederum Anschluss an die außereuropäischen Plattformen für Wirtschaftsethik sucht.
Über regionale Foren und Arbeitskreise, regelmäßige deutschlandweite Veranstaltungen, im besonderen die Jahrestagung und die Herbstakademie, sowie eigene Medien und Projekt- und Forschungsarbeit mit Partnernetzwerken wird versucht, nicht nur das Bewusstsein für wirtschaftsethische Fragestellungen im deutschsprachigen Raum zu schärfen, sondern auch konkret an der Lösung von wirtschaftsethischen Problemlagen mitzuwirken.
Wie entstand der Kontakt zwischen Transparency Deutschland und dem dnwe?
Anlässlich der EBEN-Konferenz 1996, die damals erstmals vom dnwe im Lufthansa-Zentrum Seeheim ausgerichtet wurde, entstand ein Kontakt zwischen Peter Eigen, dem Gründer von Transparency International und dem dnwe. Beide Organisationen befanden sich damals noch im Aufbau, suchten wechselseitige Synergien zur Beförderung ihrer Anliegen. Das Thema der damaligen Konferenz war „Working Across Borders“. „Korruption“ wurde dabei ein Schwerpunkt der Plenumsdiskussionen mit illustren Vertretern wie Frene Ginwala, Präsidentin des Parlamentes von Südafrika, Mark Pieth, damals Chairman der OECD Working Group on Bribery in International Business Transactions, dem heutigen Vorsitzenden des dnwe-Kuratoriums Klaus Leisinger und vielen anderen. Als Folge der Konferenz entstand auch eine gegenseitige Mitgliedschaft von dnwe und Transparency.
Welche Erwartungen wurden mit einem Beitritt als korporatives Mitglied bei Transparency Deutschland verknüpft?
In erster Linie ging es darum, in einer Art Arbeitsteilung zu agieren, bei der sich Transparency als Experten- und Partnernetzwerk für den konkreten Bereich „Korruption“ engagiert. Transparency hat sich umgekehrt beim DNWE immer auch für andere ethische Dilemmata im Wirtschaftsleben interessiert. Der ökonomisch-politische Ansatz von Transparency konnte durch die ethische Argumentationsperspektive der Experten aus dem dnwe angereichert werden. In der Korruptionsthematik ist die Organisation wertvoller Ratgeber und Projektpartner für das dnwe.
Wird die gegenseitige Mitgliedschaft neben einer verbindenden Geisteshaltung auch von gemeinsamen Aktivitäten getragen? Welche Zukunftsperspektiven sehen Sie für Ihre Mitgliedschaft?
Auf regionaler Ebene und auch bei Veranstaltungen gibt es immer wieder Zusammenarbeit durch Mitglieder, die in beiden Netzwerken aktiv sind. Wenn Wirtschaftskriminalität, glaubwürdige Korruptionsprävention und ähnliche Themen im dnwe behandelt werden, ist Transparency in der Regel immer involviert und beteiligt sich – so zum Beispiel an Workshops und der Jahreskonferenz des dnwe – mit eigenen Beiträgen und Rednern. Das gleiche gilt für die Präsenz von Transparency auf Foren bei SNEEP, des studentischen Netzwerks des dnwe. Die Beratungskompetenz von Transparency, die in der Wirtschaft gerne genutzt wird, geht gut zusammen mit der Anwendungsorientierung des Zentrums für Wirtschaftsethik (ZfW), dem wissenschaftlichen Institut des dnwe. Im ZfW werden Standards für die verschiedenen Anwendungsbereiche der Wirtschafts- und Unternehmensethik entwickelt und Weiterbildungsprogramme für Firmen, Verbände und Behörden durchgeführt.
Wünschenswert wäre eine weitere Vertiefung der guten Zusammenarbeit beider Netzwerke durch konkrete Projekte, auch auf regionaler Ebene, etwa durch gemeinsame Veranstaltungen und Projekte vor Ort. Man sollte auch den Austausch auf Vorstandsebene weiter intensivieren. Im aktuellen Ethikboom, da ethisches Wirtschaften popularisiert und auch polemisiert wird und zum „Trendthema“ avanciert, erscheint es besonders wichtig, dass sich die etablierten und programmatisch gewachsenen Organisationen durch Ernsthaftigkeit, Objektivität und Professionalität von oberflächlichen Kampagnen abgrenzen. Dadurch können auch die gemeinsamen Ziele – durch gegenseitiges Verstärken – kontinuierlich vorangetrieben werden. Kooperation und gegenseitige Beratung könnten durch verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über gemeinsam getragene Anliegen und Projektarbeit einen Beitrag zur Profilstärkung beider Netzwerke leisten.
Das Interview führte Andrea Priebe.