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Unsere Korporativen Mitglieder: Control Risks Deutschland GmbH - Risiko Korruption

Interview mit Hans Jürgen Stephan, dem Geschäftsführer von Control Risks Deutschland
 

Wie ist bei Control Risks der Prozess abgelaufen, der zu einer Mitgliedschaft bei TI Deutschland geführt hat?
Bei der Control Risks Group ist die präventive und reaktive Beratung im Zusammenhang mit Korruption seit 1978 ein fest etabliertes Tätigkeitsfeld. Wir wurden daher gewissermaßen automatisch regelmäßig auf die Arbeit von TI aufmerksam. Weil die Aktivitäten von TI und Control Risks in dieselbe Richtung zielen, war der Gedanke einer Mitgliedschaft ziemlich naheliegend.
 

In der Selbstverpflichtung, die Sie mit Ihrer Mitgliedschaft eingegangen sind, sind drei Elemente enthalten: Ablehnung von Korruption, Aufbau eines Schulungs-/Compliance-Programms für Mitarbeiter/-innen, Hinwirken innerhalb des betroffenen Interessenverbandes auf die Ächtung von Korruption. Würden Sie diese als gleich gewichtig ansehen oder hat eines der drei Elemente für Control Risks einen besonderen Rang?
Die Selbstverpflichtung ist für Control Risks zunächst einmal schlicht Kern und logische Voraussetzung für unsere Tätigkeit. Wie sollten wir Unternehmen überzeugend im Kontext von Korruption beraten können, wenn wir eine entsprechende Selbstverpflichtung nicht konsequent im eigenen Unternehmen umsetzen würden?

Qualitativ sind die drei Aspekte für uns im Grundsatz gleichwertig, schlicht, weil sie sich gegenseitig bedingen. Praktisch sind uns die ersten beiden Aspekte natürlich besonders wichtig, weil die klar kommunizierte Ablehnung von Korruption und auch Schulungs- und Compliance-Maßnahmen direkt in unser eigenes Unternehmen zielen.


Sie kümmern sich professionell um Risiken bei Firmen, die deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit schmälern könnten. Welchen Stellenwert hat denn die Korruption im Vergleich zu anderen Risiken?
Control Risks berät in erster Linie im Kontext von operationellen Risiken, von denen kriminalitätsbezogene Risiken wiederum einen ganz wesentlichen Teil ausmachen. Dabei kommt der Korruption im Vergleich zu gängigen Vermögens- und Eigentumsdelikten eine gesteigerte Bedeutung zu, weil sie die vergleichsweise gravierendsten und langfristigsten Folgen für Unternehmen verursacht. Die Konsequenzen werden auf der Unternehmensseite allerdings oftmals nicht zutreffend erfasst und bewertet – schlicht, weil sie meist nicht unmittelbar und exakt messbar sind. Stichworte in diesem Zusammenhang sind Reputationsschäden nach außen, dauerhaft demoralisierende Wirkung nach innen und natürlich die direkten Folgekosten der – gewissermaßen erkauften – Fehlentscheidungen in der Sache. Nicht zuletzt sind es natürlich die verursachten fehlerhaften Weichenstellen als Folge von Korruption, die für Unternehmen nicht selten einen dauerhaften Verlust von Potentialen, Chancen und Wettbewerbsvorteilen bedeuten. Eine Tatsache, auf die viele Unternehmen unter verschärften Wettbewerbsbedingungen verstärkt aufmerksam werden.

Control Risks Group hat 2002 eine umfangreiche Studie zum Thema Korruption durchgeführt und dabei die Gegebenheiten in Deutschland, Hongkong, den Niederlanden, Singapur, Großbritannien und den USA untersucht. Eines der Ergebnisse war ein achtzigseitiger Business Guide, der wirtschaftliche, rechtliche und praktische Implikationen von Korruption, aber auch grundlegende Lösungsansätze für Unternehmen abbildet.


Hat sich die Einstellung der Firmen, die Sie betreuen, hinsichtlich Korruption im Laufe der letzten Zeit verändert?
In diesem Punkt stellen wir im Beratungsalltag – und übrigens auch in der Studie – eine bisweilen widersprüchliche Grundhaltung fest. Denn nach Ansicht der weit überwiegenden Mehrzahl der Unternehmensführer zieht Korruption im Grundsatz zwar sehr gravierende Folgen für Unternehmen nach sich. Dementsprechend wird auch ebenso gerne wie nachdrücklich ein dringender Handlungsbedarf für Unternehmen bescheinigt. Allerdings eben in erster Linie im Grundsatz und oftmals weniger für das eigene Unternehmen als für die anderen.

Dennoch können wir, wie eben schon angedeutet, erfreulicherweise eine zunehmende Identifikation des Themas und vor allem des Werts von Gegenmaßnahmen feststellen. Zu dieser Entwicklung hat neben den diversen gesetzlichen Veränderungen in einigen Ländern sicherlich die anhaltende Präsenz des Themas in der öffentlichen Diskussion beigetragen, die Unternehmen einem gesteigerten Zugzwang aussetzt.


Wissen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ihrer Mitgliedschaft bei TI? Wie groß ist das Unternehmen denn überhaupt und wächst es?
Control Risks Group hat im Moment ca. 485 angestellte Consultants und Political Analysts und daneben etwa die gleiche Anzahl freier Mitarbeiter, die sich auf 17 Büros auf vier Kontinenten verteilen. Das Unternehmen wurde 1975 in London gegründet und konnte – was ja durchaus nicht die Regel in der Beratungsbranche ist – seit der Gründung durchgängig jährliche Wachstumsziffern verzeichnen. 2003 war sogar das bislang erfolgreichste Jahr in der Firmengeschichte. Die deutsche Niederlassung besteht seit 1986 und wurde 1999 von Bonn-Siegburg nach Berlin verlegt. Gegenwärtig arbeiten hier 18 Berater. Ein Betreuungsschwerpunkt der beiden Hauptabteilungen Intelligence Services und Crisis- and Security Management ist die Begleitung der Osteuropa-Aktivitäten unserer Mandanten, zu denen ein erheblicher Teil der DAX-Unternehmen zählt.

Die Mitarbeiter bei Control Risks Deutschland wurden in zwei internen Präsentationen über TI und unsere Mitgliedschaft informiert. Der Mehrzahl von ihnen war die Arbeit von TI bereits ein Begriff. Dementsprechend haben wir uns bei der internen Kommunikation stärker auf die Aspekte der Mitgliedschaft in Bezug auf unsere eigene Arbeit konzentriert. Dabei haben wir thematische Schwerpunkte herausgestellt und mögliche Beiträge identifiziert. Wir geben jedem Mitarbeiter die Möglichkeit, sich während seiner Arbeitszeit für TI zu engagieren.


Haben Sie einen Verhaltenskodex/Code of Conduct oder soll er erst entstehen?
Für überzeugende Beratung im Kontext Korruption war ein nachhaltiger und konsequent umgesetzter Code of Conduct im eigenen Unternehmen eine notwendige Voraussetzung. Bei der Control Risks Group ist neben dem Mission-, Aims- und Principles Codex seit Beginn der achtziger Jahre ein grundsätzlicher Code of Conduct implementiert. Daneben sind spezifische Codes of Conduct für einzelne Abteilungen sowie eine gesonderte Whistleblowing Policy vorhanden. Die Codes sind fester Bestand aller Arbeitsverträge, Verstöße als außerordentliche Kündigungsgründe definiert.

Im Rahmen von Einführungstrainings und von regelmäßigen obligatorischen Online-Schulungen wird das Wissen aller Mitarbeiter über die Inhalte und konkrete Anwendung der genannten Kodizes – unter anderem durch zu lösende Fallaufgaben – regelmäßig geprüft und bewertet. Bei der Anwendung im Beratungsalltag wird das Ethics Committee von den Mitarbeitern durchaus regelmäßig als unterstützendes und beratendes Gremium in Anspruch genommen. Auch, weil die Mitarbeiter gut geschult sind und im Berufsalltag Unterstützung erfahren, musste das Unternehmen auf Klauseln in Arbeitsverträgen bislang nicht zurückgreifen.


Was halten Sie für die wichtigsten Elemente in einem Verhaltenskodex?
Der konkrete Stellenwert der verschiedenen Elemente kann natürlich letztlich nur bezogen auf das jeweilige Unternehmen beurteilt werden. Bei ihrer Auswahl und Gewichtung muss nach Branche, Größe und Aktionsradius des Unternehmens beziehungsweise einzelner Einheiten differenziert werden. So sind beispielsweise unsere eigenen Mitarbeiter nach unserem Code of Conduct klar verpflichtet, die Betreuung von Projekten oder Unternehmen abzulehnen, die unserem eigenen ethischen Kodex, vor allem in Bezug auf Grundwerte und internationale Konventionen, nicht entsprechen.

Grundsätzlich sollte jeder Code of Conduct natürlich möglichst konkrete Bestimmungen über die Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen und anderen Vorschriften  enthalten – und selbstverständlich über Meldewege und -verfahren. Auch klare Definitionen von Interessenkonflikten und Fairnessbegriffen sind sicherlich durchweg bedeutsam. Für die Effektivität in der Praxis haben sich allerdings spezifische Bestimmungen zu praktischen Abläufen für einzelne Unternehmensbereiche oder Abteilungen als wichtig erwiesen – die natürlich im Einzelfall stark variieren können.

Abgesehen davon ist in aller Regel nach Risikopotentialen zu differenzieren: So entfalten für börsennotierte Unternehmen beispielsweise klare Bestimmungen über Insiderhandel aus naheliegenden Gründen ebenso unmittelbare wie langfristige Bedeutung.

Schließlich – und selbst wenn es inzwischen beinahe einer Binsenweisheit entspricht: der praktische Wert eines Kodex hängt natürlich zentral von der authentischen und nachhaltigen Unterstützung durch das oberste Managementgremium ab. Mit einer elaborierten Selbstverpflichtung im Kodex alleine ist es eben nicht getan, wenn das Unternehmen dessen wirtschaftlichen Wert effektiv nutzen will. Mitarbeiter merken auch in großen Unternehmen meist bis in die kleinsten Verästelungen ziemlich schnell, wie ernst es dem Unternehmen tatsächlich in der Sache ist. Ist es das nicht, verzichtet das Management sozusagen zu Gunsten von kurzfristig reputationsförderndem „Kodex-Make-up“ auf die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile seiner Antikorruptionsaktivitäten.

Auf der „Output“-Seite wird der praktische Wert eines Kodex schließlich durch nichts anderes als die Effektivität, Effizienz – und vor allem Kontinuität – seiner Umsetzung limitiert. Hier kommt das Unternehmen letztlich nicht ohne das persönliche Engagement von – in der „Materie Korruption“ gut geschulten – Mitarbeitern aus.

Mit Hans Jürgen Stephan, dem Geschäftsführer von Control Risks Deutschland, sprach Anke Martiny