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Rezension

Thomas Leif, Rudolf Speth (Hrsg.): Die stille Macht. Lobbyismus in Deutschland

Westdeutscher Verlag, Wiesbaden, 2003. ISBN 3-531-14132-5, 32,90 Euro.

Es ist nicht so, dass jede Ecke durchleuchtet worden wäre, in der Lobbying betrieben wird oder Politikberatung, wie jene, die dieses Geschäft betreiben, es gerne nennen. Trotzdem ist es ein verdienstvolles Buch, denn es versucht, etwas Licht in diese heimliche Welt zu bringen. Es versucht Begriffsbestimmungen, Abgrenzungen zu finden und Einflussmöglichkeiten zu beschreiben, versucht die Bedeutung des Lobbyismus für Demokratie und Rechtsstaat heraus zu arbeiten.

Lobbyismus bezeichnet nicht nur die Kultur des Austauschs von Wissen gegen Einfluss, nicht nur die demokratische Interessenvertretung; Lobbyismus ist in manchen Bereichen zu einem Moloch gewachsen, zu dem durchaus auch Patronage und Korruption gehören. Die "Dynamik des Geben und Nehmens" verwischt Grenzen: "manche Lobbyisten verstehen es vortrefflich, ihre Klientel anzufüttern, um später ihre Wissensrendite , in Form von wohlwollenden Gesetzen oder Subventionen einzufordern." (S. 20).

Faktoren wie Globalisierung und Europäische Integration sowie der gesellschaftliche Wandel von Solidarität und Gemeinwohlorientierung hin zu Individualisierung und Pluralisierung, haben, wie Inge Maria Burgmer analysiert, auch zu einer Veränderung der Lobbylandschaft geführt. Verbände haben an Einfluss verloren, große Konzerne haben ihre eigene Interessenvertretung, mit der Folge, dass Darlegungen der betroffenen Interessen sich zunehmend aus dem öffentlichen Bereich - z.B. öffentliche Anhörungen von Verbänden zu Gesetzesvorhaben - in den nicht-öffentlichen Bereich verlagern. "Unabdingbare Voraussetzung im veränderten Zusammenspiel... ist die strikte Einhaltung zum Gemeingut gehörender gesellschaftlicher Spielregeln..." (S.41), schreibt die Autorin. Tatsache ist jedoch, dass mit der Veränderung wirkliche Kontrolle nicht mehr möglich ist, da helfen auch noch so gute Verhaltensmaßregeln nicht. Der Dialog zwischen Wirtschaft und Politik hat öffentlich zu sein und nicht privat-dienstlich.

Mit seltener Klarheit und Offenheit benennt Prof. Priddat das Hauptproblem wissenschaftlicher Politikberatung: "Man gibt in der Politik keine Gelder aus für Gutachter, die das Gegenteil von dem raten, was man vorhat. Das wäre irrational, denn wissenschaftliche Gutachten in politischen Kontexten sind Legitimationshilfen zur Stimmenmaximierung." (S. 43). Daraus ergibt sich die Frage: Wie ist Politik zu beraten, dass sie sich nicht mehr frei aussuchen kann, welche Beratung gerade genehm ist und welche nicht. Politikberatung darf demnach nicht mehr reine Serviceleistung sein. Effiziente Beratung ist nur dann möglich, wenn der Rat selbst in der Öffentlichkeit so großes Gewicht hat, dass er nicht umgangen werden kann, weil sonst höhere Kosten entstünden. Priddat rät zu vielen "think tanks", die im politischen Raum im Wettbewerb zu einander stehen. "Es geht nicht um positive Politikalternativen im Sinne von rational choice, sondern um die Macht, erfolgreich drohen zu können." (51).

Interessant sind auch die Feldbeobachtungen. Drei AutorInnen - Anke Martiny, Markus Jatzer und Kurt Langbein - beschreiben die unheilvolle Lobbytätigkeit im Gesundheitsbereich, wo der Staat als normsetzende Instanz versagt. Dies sind Lehrbeispiele für Korruption fördernde Strukturen.

Einlullend und rechtfertigend sind die Interviews mit den Lobbyisten geraten. Nichts wollen die Befragten gemein haben mit den dunklen Mächten, von denen oft gesprochen wird. Nirgends aber sind persönliche Beziehungen und Netzwerke in vergleichbarer Weise erforderlich, um erfolgreich zu sein.

Eine ganz besondere Art des Lobbying haben Tobias Kahler und Manuel Lianos beschrieben. Es geht um Public Affairs, die Positionierung von Unternehmen an der Schnittstelle Unternehmen - Gesellschaft. "Es genügt nicht den Firmenstandpunkt nur den Politikern zu vermitteln, auch die Öffentlichkeit muss - mit Hilfe von Kampagnen - überzeugt werden." (A. Wallrabenstein, 338 f.). Nicht nur, dass jedes Thema auch seine "Inszenierung" braucht, es braucht auch den Regisseur und es braucht den Zugang zu Medien. Damit ist die professionelle Basis für die Skandalisierung von Politik gelegt.

Die Medien selbst sind längst ebenfalls in schiefes Licht geraten, seit "Verleger Redaktionskosten rigoros externalisieren" (S.351). Artikel, die in Presseabteilungen geschrieben werden, sind so selten nicht. Und Verleger können wissen, schreibt Prof. Kocks, dass für die Übernahme von Redaktionskosten eine Gegenleistung erwartet wird, "sonst wäre es für den Content-Provider ja nicht einmal eine Betriebsausgabe." (S. 351).

Fazit dieses lesenswerten Buches ist die bedauerliche Erkenntnis, dass jene, die Lobbying betreiben, dunkle Machenschaften mit Abscheu und Empörung von sich weisen, ihr Tun als in jeder Hinsicht gerechtfertigt erscheinen lassen, ja als Notwendigkeit für den Interessenausgleich in einer demokratischen Gesellschaft erachten. Netzwerke und persönliche Beziehungen werden als das A und O ihrer Tätigkeit beschrieben. Auf diese Weise wird eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit aber ausgeschlossen, da helfen auch Verhaltensregeln und ein Ehrenkodex nichts. Sie sind vielmehr Instrumente, die Arkanpolitik in einem milderen Licht erscheinen lassen.