Publikationen
Rezension

Susanne Moritz: "Staatliche Schutzpflichten gegenüber pflegebedürftigen Menschen"

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013, ISBN: 978-3-8487-0722-5, 253 Seiten. 59 Euro

Seit Einführung der Pflegeversicherung stehen die Pflege und deren  Rahmenbedingungen im Scheinwerferlicht kontroverser öffentlicher Diskussionen. Regelmäßig werden über die Medien Berichte von Missständen in der stationären und ambulanten Pflege bekannt. Susanne Moritz analysiert in ihrer Dissertation Gewaltanwendungen und Menschenrechtsverletzungen in der Pflege und geht deren verfassungsrechtlicher und rechtspolitischer Relevanz auf den Grund.
Die Autorin zeigt Ursachen des in der Öffentlichkeit vielfach beschriebenen Pflegenotstands auf und benennt die Schwachstellen. Auf den ersten Blick ist das System der sozialen Pflegeversicherung durch Gesetze und Verordnungen
normativ gut ausgestattet. Ausgehend von belegten Falldarstellungen stellt sie fest, dass das bestehende rechtliche Regelwerk in der Pflegepraxis keinen ausreichenden Schutz für Pflegebedürftige und keine menschenwürdige Pflege in Pflegeeinrichtungen gewährleistet. Die Zersplitterung der gesetzgeberischen Zuständigkeiten im Pflegerecht steht einer Behebung von Missständen massiv im Weg. Die Probleme in Pflegeheimen können durch bestehende  Kontrollmaßnahmen nicht aufgedeckt werden.
Regierung und Parlament ist der grundlegende Reformbedarf der sozialen Pflegeversicherung bekannt. Aktionen wie die Schaffung einer Kommission zur Neuformulierung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes, die Einberufung von Runden
Tischen sowie die Erarbeitung, Veröffentlichung und Verbreitung einer „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ haben in der Praxis keine verändernde Wirkung gezeigt. Das Unterlassen weitergehender Handlungen
zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger stellt nach Auffassung von Susanne Moritz eine Schutzpflichtverletzung des Staates dar. Die Autorin kommt zu dem Schluss, dass der Gang vor das Verfassungsgericht für  betroffene Bürger ein probates Mittel sein kann, ihre Grundrechte  durchzusetzen. Ein sozialer Rechtsstaat sollte es als seine selbstverständliche
Pflicht ansehen, schutz- und hilfsbedürftigen Bürgern ein Mindestmaß an Würde und Lebensqualität zu garantieren und diesen Anspruch auch in einer Pflegeversicherung zu verankern.
Die Autorin hat mit ihrer Dissertation nicht nur die juristische Fachwelt aufgerüttelt, sondern auch eine breite Öffentlichkeit zum Handeln ermutigt. Wer sich diesem Ziel anschließen möchte, findet in diesem Buch eine gute  Motivationsgrundlage.

Brigitte Bührlen

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