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Rezension

Rupert Graf Strachwitz: Achtung vor dem Bürger. Ein Plädoyer für die Stärkung der Zivilgesellschaft

Freiburg: Verlag Herder2014, ISDN 978-3-451-33572-3, 236 Seiten, 12,99 Euro

„Unser politisch-administratives System hat keinen Respekt, keine Achtung vor dem Bürger“ (S.9). „Macht und Geschäft stehen im Mittelpunkt des Denkens, nicht der Mensch in seiner unantastbaren Würde“(S.7). Strachwitz beschreibt so die Prämissen seines „Plädoyers für die Stärkung der Zivilgesellschaft“. Neben Politik und Wirtschaft bedürfe es eines „Bürgersektors“ (S.7), in dem Bürger gemeinsam agieren.
In sieben Kapiteln behandelt Strachwitz sein Thema. Er zeigt angesichts des Versagens staatlicher Institutionen die Notwendigkeit zum Umdenken auf, verweist auf die Erfolge von Zivilgesellschaft und verschweigt nicht die Schwachstellen bürgerschaftlichen Engagements. Aus dem Vorwurf mangelnder demokratischer Legitimation folge die Notwendigkeit größtmöglicher Offenheit von Mittelherkunft, Mittelverwendung und Entscheidungsprozessen (S.203). Mit „Elementen einer Definition von Zivilgesellschaft“ sowie „Zehn Regeln für eine gute Zivilgesellschaft“ (S.225 f) endet das Buch. Die folgenden Regeln passen gut zu Transparency International Deutschland: „Suche Verbündete, aber bewahre stets Deine Freiheit. Vermische nicht Deine Interessen mit denen aller. Akzeptiere keinen materiellen Gewinn und erwarte keinen sozialen Lohn“ (S.226).
Die Lektüre des Buches ist ein „Muss“ für Akteure der Zivilgesellschaft und für jene, die mit selbstbewussten - mitunter auch „sendungsbewussten“ - Bürgern lernen sollten umzugehen. Das Buch liefert Diskussionsstoff. Das Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft liest sich bei Strachwitz als Nullsummenspiel. Wenn Staat und seine politischen Institutionen kaum noch in der Lage sind Probleme zu lösen, Gerechtigkeit für Jedermann herzustellen, wachsende Flüchtlingsströme zu bewältigen, wie kann zivilgesellschaftliches Engagement daran etwas ändern, wenn es seine Forderungen primär an eben diese Institutionen richtet? Sind die Folgen eines „failing state“ – Griechenland lässt grüßen – mit weniger Staat und stolzen Bürgern zu bewältigen oder vielmehr mit „better governance“? Wir brauchen beides: starke demokratisch legitimierte politische Institutionen und eine starke gemeinwohlorientierte Zivilgesellschaft, weil sonst „das Geschäft“ vollends das Heft des Handelns übernimmt.

(Edda Müller)

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