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Rezension

Michael J. Sandel: "Was man für Geld nicht kaufen kann Die moralischen Grenzen des Marktes"

Ullstein Berlin: 2012. ISBN 978-3-550-08026-5. 300 Seiten. 19,99 Euro.

„Wünschen wir uns eine Gesellschaft, in der alles käuflich ist? Oder gibt es moralische und staatsbürgerliche Werte, die von den Märkten nicht gewürdigt werden?“ (S. 250). Entwickeln wir uns von einer Marktwirtschaft zu einer Marktgesellschaft? Setzen wir zivilisatorische Errungenschaften aufs Spiel, deren Verlust nicht reparierbar sein wird? Der Moralphilosoph Michael J. Sandel diskutiert diese Fragen vor dem Hintergrund der amerikanischen Entwicklung und von volkswirtschaftlichen Theorien, die die Rechtfertigung für die Kommerzialisierung liefern. Er zeigt mit prägnanten Beispielen, dass die Marktlogik fast alle Lebensbereiche infiltriert. Der Kauf eines Platzes in einer Warteschlange für den Zugang zu Anhörungen des US-Kongresses verstoße gegen die Warteschlagenethik: einer nach dem anderen ohne Ansehen der Person. Wenn marktfremde Verrichtungen mit Preisen versehen werden - Geld für gute Noten von Schülern, Geld für das Lesen eines Buches, die Versteigerung von Einwanderungsgenehmigungen - werden alle menschlichen Beziehungen zu Marktbeziehungen (S. 79f). Am Beispiel einer Strafzahlung für das verspätete Abholen von Kindern aus dem Kindergarten zeigt Sandel, dass Marktanreize marktferne Normen verdrängen können. Die Verspätungen gingen nicht zurück sondern nahmen zu. Die Eltern hatten kein schlechtes Gewissen mehr, da sie den Eindruck hatten, Geld für einen besonderen Service zu zahlen. Interessant ist seine Unterscheidung von Fairness und Korruption. So fällt der Kauf von Zulassungen zur Universität in den Bereich der Korruption, weil hiermit die Integrität und das Wertesystem der Universität verletzt wird (S. 137). Der Verkauf einer Niere verletze die Fairness, wenn der Grund für die Ablehnung das Argument der Ausbeutung von Armen sei, die ihre Niere nicht freiwillig verkaufen. Er falle unter Korruption, wenn die Zulässigkeit des Handels mit menschlichen Organen die den Menschen herabwürdigende Sicht als Ersatzteillager fördern (S. 138).
Mein Fazit: Sehr lesenswert, gut und eingängig geschrieben, sowie sehr relevant für das Thema dieses Scheinwerfers.

(Edda Müller)

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