Mehr Transparenz durch neues Wohlfahrtsgesetz in Mecklenburg-Vorpommern?
Kommentar von Maren Wagner, Jörg Mühlbach und Folkard Wohlgemuth
Wie viel Transparenz bringt das geplante Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz in Mecklenburg-Vorpommern? In Mecklenburg-Vorpommern hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen, der vom Land geförderte Wohlfahrtsverbände künftig zu mehr Transparenz verpflichten soll.
Nach Berlin wäre Mecklenburg-Vorpommern das zweite Bundesland, das die Vergabe öffentlicher Fördermittel an Transparenzvorgaben gegenüber der Öffentlichkeit knüpft – ein wichtiger Schritt für mehr Vertrauen in die Zivilgesellschaft.
Der Gesetzesinitiative vorangegangen waren Missbrauchsvorwürfe gegenüber gemeinnützigen Organisationen des sozialen Sektors. Ein Untersuchungsausschuss des Landtags wurde damit befasst, die Vorwürfe aufzuklären. Die Medien berichteten ausführlich und das Vertrauen in gemeinnützig tätige Organisationen wurde beschädigt. Der Landesrechnungshof hatte zusätzlich bemängelt, dass die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege Landesmittel untereinander aufgeteilt hätten, ohne dass es Vorgaben und Kontrollen gab.
Transparenz ist auch in der Zivilgesellschaft ein wichtiges Instrument, um Skandalen, die dem gesamten Sektor schaden können, vorzubeugen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Zivilgesellschaft zu stärken. Transparency Deutschland hat 2010 aufgrund fehlender gesetzlicher Rahmenbedingungen die Initiative Transparente Zivilgesellschaft (ITZ) ins Leben gerufen und damit einen Einstiegsstandard für Transparenz im gemeinnützigen Sektor gesetzt. Rund 1.200 gemeinnützige Organisationen haben sich mit der Unterzeichnung der ITZ bereits freiwillig zu mehr Transparenz verpflichtet. Nicht zuletzt infolge der Missbrauchsvorwürfe haben sich inzwischen auch zahlreiche gemeinnützige Organisationen aus Mecklenburg-Vorpommern der ITZ angeschlossen. Insgesamt verzeichnet die ITZ derzeit über 30 Organisationen mit Sitz in Mecklenburg-Vorpommern. Vor dem Bekanntwerden der Vorwürfe waren es 4 Organisationen.
Der Entwurf für ein Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz (WoftG) der Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern Stefanie Drese will nun vom Land geförderte Sozialverbände per Gesetz zu mehr Transparenz verpflichten. Die im Gesetz geforderten Angaben sind allerdings nicht konkret genug. Öffentlich Auskunft geben sollen die Organisationen „unter anderem über ihre Ziele, Werte und Motive, Unternehmensstrukturen und Arbeitsweise sowie über die Herkunft und Verwendung ihrer Finanzmittel“. Das sind wichtige Informationen, die jedoch als Basisangaben für Transparenz unzureichend sind. Verpflichtend zugänglich gemacht werden sollten daher zusätzlich auch Name, Organisationsform, Sitz, Anschrift und Gründungsjahr, die vollständige Satzung/Gesellschaftsvertrag, Freistellungsbescheid, der aktuelle Tätigkeitsbericht, Name und Funktion wesentlicher Entscheidungsträger, die Personalstruktur als Teil der bereits im Gesetzentwurf genannten Unternehmensstruktur, Gesellschaftsrechtliche Verbundenheit mit Dritten, Namen von juristischen oder natürlichen Personen, deren jährliche Zahlungen mehr als 10 % des Jahresbudgets ausmachen. Damit wären die Anforderungen der ITZ erfüllt – die sich als Mindeststandard selbst für kleinere Organisationen durchgesetzt haben. Hilfreich wäre es zudem, die vorgenannten Kriterien für größere Organisationen umfangreicher zu gestalten, z.B. in der Veröffentlichung eines Organigramms oder (so vorhanden) des externen bzw. internen Prüfberichts der Organisation. Der Gesetzentwurf sollte die geforderten Angaben konkret festlegen, anstatt sie nur beispielhaft zu benennen, insbesondere bei den Angaben zum Finanzbericht. Ansonsten ist zu befürchten, dass durch das Gesetz noch nicht einmal die über die freiwillige Verpflichtung erprobten und anerkannten Mindeststandards abgedeckt werden.
Die Informationen sollen laut Gesetzentwurf in einer Transparenzdatenbank von den Verbänden online gestellt werden. Daneben soll eine korrespondierende Zuwendungsdatenbank Angaben über die Mittelverteilung liefern. Noch transparenter wäre es, wenn man die Verbände zusätzlich dazu verpflichten würde, die Informationen auch auf der eigenen Webseite darzustellen – dies könnte auch in Form eines Links zu der Transparenzdatenbank geschehen. Veröffentlichungspflichten bestehen laut dem Gesetzentwurf erst ab einer jährlichen Fördersumme von 25.000 Euro oder „wenn hauptberuflich Tätige im eigenen Vorstand oder in der eigenen Geschäftsführung oder im Vorstand oder in der Geschäftsführung einer anderen juristischen Person, zu der ein gesellschafts- oder vereinsrechtliches Abhängigkeitsverhältnis besteht, beschäftigt“ werden. Besser wäre es, die Grenze an den Gesamt-Jahreseinnahmen der zuwendungsempfangenden Organisation und nicht an der Höhe der Fördersumme festzumachen. Eine Untergrenze ab 25.000 Euro wäre hier angemessen. Zudem sollten auch Empfänger von Förderungen durch Landkreise und kreisfreie Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern in die Pflicht zur Veröffentlichung eingeschlossen werden.
Das Gesetz beschreibt weiterhin nicht, wie mit fehlenden oder fehlerhaften Informationen umgegangen wird – besteht z. B. seitens der Landebehörden ein Prüfungsrecht? Können Organisationen mit fehlerhaften Informationen von zukünftigen Förderungen ausgeschlossen werden? Gerade große Organisationen könnten dazu verpflichtet werden, dass die Angaben in der Transparenzdatenbank von den eigenen Prüfgremien regelmäßig zu verifizieren ist, und dies entsprechend zertifiziert werden muss. Weiterhin sollte es die Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger geben, die Landesbehörde auf unvollständige oder inkorrekte Angaben aufmerksam zu machen, die diesen Vorgang dann nachverfolgen muss.
Obwohl Transparenz ein Mittel ist, um Vertrauen aufzubauen, ist Transparenz allein nicht ausreichend, um Missbrauch zu verhindern. Genauso wichtig wie die Grundanforderungen an Transparenz in gemeinnützigen Organisationen umzusetzen, ist es daher, effektive und der Organisationsform und -größe angemessene Mechanismen der Kontrolle, Aufsicht und guter Organisationsführung umzusetzen. Dieser Aspekt ist im Gesetzentwurf gar nicht erwähnt.
Es wäre zudem wünschenswert, nicht nur die durch die Missbrauchsvorwürfe in die Schlagzeilen geratenen Sozialverbände zu mehr Transparenz zu verpflichten (der Gesetzentwurf limitiert sogar Informationen zu diesen Organisationen nur auf Tätigkeiten und Leistungen im Bereich der sozialen Arbeit), sondern den gesamten gemeinnützigen Sektor in den Gesetzentwurf einzuschließen. Hierzu zählen beispielsweise auch Sportverbände, Naturschutzorganisationen, Kulturvereine und viele mehr.
Trotz Nachbesserungsbedarf in Breite und Tiefe sind die Transparenzinitiativen aus Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zu begrüßen. Weitere Bundesländer sollten ebenfalls aktiv werden. Bis dahin ist die Zivilgesellschaft – gerade in Zeiten zunehmender Einschränkung der zivilgesellschaftlichen Handlungsspielräume – selbst gefordert. Die Initiative Transparente Zivilgesellschaft bietet hier einen Einstieg für alle Organisationen des gemeinnützigen Sektors, der sich als Mindeststandard durchgesetzt hat.