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Rezension

Max Reicherzer: "Authentische Gesetzgebung. Gesetzesvorbereitende Vereinbarungen mit Umsetzungsgesetz auf dem Prüfstand des Grundgesetzes"

Berlin: Duncker & Humblot, 2006, ISBN: 3-428-11848-0, 624 Seiten. 98 Euro

Wer regiert das Land? Sind es Lobbyisten, die hinter verschlossenen Türen mit der Bundesregierung Gesetze aushandeln, die der Bundestag lediglich absegnet? Was folgt aus dem Verfassungsgrundsatz der Authentizität der Gesetzgebung? Welche Abwägungszwänge ergeben sich aus dem Kooperationsprinzip? Anlass für das Thema der Dissertation waren die Verhandlungen der Bundesregierung mit
den deutschen Energieversorgungsunternehmen zur Novelle des Atomgesetzes zum (ersten) Ausstieg aus der Kernenergie. Zwei Jahre lang hat die Bundesregierung Satz für Satz der Novelle mit den Energieversorgungsunternehmen verhandelt. Der Bundestag beriet das Gesetz in wenigen Tagen und verabschiedete es ohne Änderung.

Die Fragestellungen sind höchst aktuell. Nicht nur dem Verfasser drängt sich der Gedanke auf, „dass nicht die verfassungsrechtlichen Institutionen, sondern zunehmend informelle Verhandlungsrunden in Deutschland regieren“ (S. 29). Das Thema wird in aller Tiefe und Breite abgehandelt – wie es sich für eine Doktorarbeit gehört. Die Vereinbarkeit verfassungsrechtlicher Prinzipien mit der Effizienz staatlicher Entscheidungen will Reicherzer durch eine Trennung der Verhandlungsphase von der Umsetzungsphase durch Parlamentsgesetz herstellen. Für die Verhandlungsphase sei ein „gewisses Maß an gehaltvoller Abwägung“ (S. 7) von Nöten. Das Geschäftsordnungsrecht solle dafür sorgen, „den Einfluss
von Interessenverbänden auf die Gesetzesvorbereitung zu kanalisieren“ (S. 582). Im Rahmen der Umsetzung dürfe die „diskursiv-abwägende Funktion des parlamentarischen Verfahrens“ (S. 582) nicht beeinträchtigt werden. Politikwissenschaftlich verwundert der Vorschlag einer Zweiteilung des Gesetzgebungsverfahrens. Sie gehört seit jeher zur Praxis unseres  parlamentarischen Regierungssystems. Gesetzentwürfe werden in der Regel in der  Ministerialverwaltung vorbereitet. Die folgenden parlamentarischen Beratungen werden dabei antizipiert und konsensfähige Lösungen angestrebt. Interessant ist das Buch hinsichtlich der Verfahrensvorschläge zu mehr Transparenz bei der Abwägung und Beteiligung der verschiedenen Interessen.

Edda Müller

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