Publikationen
Rezension

Marcel Hänggi: "Cui bono - Wer bestimmt, was geforscht wird? Eine Studie über die Beziehung zwischen öffentlicher Wissenschaft und Industrie in der Schweiz"

Basel: edition gesowip, 2013, ISBN: 978-3-906129-86-0, 247 Seiten. 13 Euro

Marcel Hänggi stellt Chancen und Risiken der Zusammenarbeit öffentlicher Wissenschaft und der Industrie insbesondere in der Schweiz dar. Den Fokus legt der Autor dabei auf die biologischen Wissenschaften (life sciences) und deren biotechnischen Anwendungen (etwa Gentechnologien). Diese haben nach den Wirtschaftswissenschaften den höchsten Anteil privater Geldgeber eingeworben. Die Studie ist dreiteilig gegliedert:
Teil 1: Forschungsstand zum Thema private Förderung öffentlicher Hochschulen in der Schweiz und die Abwehrreaktionen,
die die Debatte darüber auslöste.
Teil 2: Veränderungen des Selbstverständnisses der Wissenschaftseinrichtungen aufgrund des zunehmenden Einflusses privater Förderer und das Fehlen einer entsprechenden
Selbstreflexion darüber.
Teil 3: Anhand konkreter Fälle aus der Schweiz wird eine Quantifizierung der Einflussnahme versucht.

Schwerpunkt der Betrachtungen sind die Verflechtungen wissenschaftlicher und privatwirtschaftlicher Interessen, besonders in der Schweiz, aber mit  gelegentlichem Bezug auf entsprechende Erfahrungen oder Förderungen in den
USA („science-mart“), der EU (sinnlose Förderprogramme) und in Deutschland (problematische „Exzellenz“-Fixierung). Bei seiner kritischen Darstellung geht es dem Autor nicht darum, private Mittel für die Förderung öffentlicher  Wissenschaft zu blockieren, sondern um die transparente Darstellung der Abhängigkeiten über Grad und Art der industriellen Beteiligungen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele werden die Notwendigkeit für Differenzierungen und der Regelbedarf aufgezeigt. Die politisch Verantwortlichen sollten sich bei der Förderung der Beteiligung privater Sponsoren sowohl der Chancen als auch der Risiken bewusst sein. Zur Vermeidung von Interessenkollisionen sollten die Hochschulen und Eidgenössisch Technischen Hochschulen zur Aufstellung entsprechender Regelungen (und deren Durchsetzung) aufgefordert werden. Bedauert wird auch eine zunehmende Veränderung des wissenschaftlichen Selbstverständnisses aufgrund der Zunahme des Einflusses privater 
Fördermittelgeber. Eingerahmt werden die Analysen und Ausführungen
durch Darstellungen vielseitig wirtschaftlicher Verflechtungen von herausragenden wissenschaftlichen Schlüsselpersonen der Schweiz, als Beiräte, Vorstandsmitglieder und Firmengründer.

Eine solch umfassende, Ross und Reiter nennende Studie wünscht man sich auch über die nicht minder schwer durchschaubaren Verflechtungen deutscher Hochschulen mit Wirtschaftsunternehmen.

Peter Büttner

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Meinung des Verfassers / der Verfasserin wieder.