Publikationen
Rezension

Gerhard Dannecker und Roman Leitner (Hg.): "Schmiergelder - Strafbarkeit und steuerliche Abzugsverbote in Österreich und Deutschland"

nwb Verlag Neue Wirtschaftsbriefe, Herne 2002, 219 S., 34,90 Euro

Beim Aufschlagen erkennt man zwar nicht sogleich das von der Fachbuchhandlung versprochene "neue Standardwerk...", wohl aber einen Tagungsband, der neben den Vorträgen, die im September 2000 auf einer Internationalen Tagung zum Thema "Geld- und Sachzuwendungen im Steuerrecht und Strafrecht" in Wien gehalten wurden und der dort anschließenden Podiumsdiskussion, dankenswerterweise auch die relevanten Rechtsgrundlagen enthält.

Der Leser findet hier also eine aufschlußreiche Gegenüberstellung der österreichischen und deutschen Gesetzestexte, den Artikel aus der Europäischen Menschrechtskonvention, der sich mit dem Recht auf ein faires Verfahren befaßt sowie das OECD Bestechungsübereinkommen mit seinen zuvor verabschiedeten offiziellen Erläuterungen und das ebenfalls 1997 verabschiedete Bestechungsübereinkommen der EU.

Die abgedruckten Vorträge und die anschließende Diskussion lassen überraschend deutlich erkennen, wie schwer sich die Rechtsdogmatik, aber auch die rechts- und steuerberatenden Berufe mit der Umsetzung der OECD Konvention tun. Die dort vorgetragenen Bedenken knüpfen vorwiegend an der weiterhin nicht befriedigend herausgearbeiteten Schärfe des Korruptionsbegriffs an und sollten als Herausforderung für weitere akademische und politische Arbeit verstanden werden. Wenn das Abzugsverbot für Bestechungsgelder von mehreren österreichischen Teilnehmern als Bestrafung oder gar Doppelbestrafung verstanden wurde (Fuchs, Höpfel und Leitner) oder dem Abzugsverbot unzulässige Wertungswidersprüche zwischen Straf- und Steuerrecht als entgegenstehend angesehen wurden (Brandstetter), wird auch ein Zögern deutlich, überhaupt neue Instrumente zur Korruptionsprävention zuzulassen.

Die gewinnbringendsten Ausblicke ermöglicht daher schon der einleitende Vortrag von Pieth, der dort Geschichte und Wirkungsweise der OECD Konvention, ihr Zustandekommen wie auch ihre jetzige Umsetzung fesselnd beschreibt. Seiner Auffassung nach bewirkt der OECD Prozeß eine sofortige Verringerung korrupter Transaktionen. Er habe außerdem in den vergangenen 10 Jahren eine radikale politische Neuorientierung gefördert und könne zum Präzedenzfall für die Aufstellung weiterer Global Governance Normen werden. Pieth beschreibt den Umsetzungsprozess, in dessen Mittelpunkt die Peer Review, die nachfolgende Beobachtung durch Mitunterzeichner als Partner oder Kollegen steht. Dadurch entsteht statt der evtl. auch zu erwartenden Kameradschaft eher ein "Peer Pressure": Sowohl Länder als auch Unternehmen haben ein Interesse, der Entwicklung nicht hinterherzuhinken, sondern die Mindeststandards der Konvention eher zu übertreffen. Dieses Verfahren steht - ebenso wie das GRECO Verfahren - Teilnehmern aus der Zivilgesellschaft offen. Letztlich sollen alle produzierten Dokumente für jedermann zugänglich sein.

Vor dem Hintergrund dieses Vortrages kann die im Buch dokumentierte Veranstaltung als ein zivilgesellschaftlicher Teil der Peer Review verstanden werden. Das deutsche und das österreichische Recht gehen von den gleichen Konventionen und Rechtstraditionen aus und unterscheiden sich dann auch nur in Formulierungen, deren möglicherweise unterschiedlicher Bedeutungsgehalt sich nur dem juristischen Semantiker sogleich erschließt. Die kritische Reflexion ergibt dann aber, daß im österreichischen Recht offenbar ein paar Schlupflöcher gelassen wurden, die den Zweck der Rechtsetzung ad absurdum zu führen drohen - jedenfalls bei mangelndem Umsetzungswillen der Praxis. Im deutschen Recht wurde andererseits die Bestechung von Abgeordneten und politischen (nicht verbeamteten) Amtsträgern absichtlich aus der Neuregelung ausgenommen, in Sorge, der Tatbestand könne zu eng oder zu weit gefaßt werden. An so einer Stelle freut man sich doch über eine unbefangene Nachfrage von außen ...

Insgesamt handelt es sich also nicht um das neue Standardwerk. Dafür ist die Korruptionsbekämpfung wohl noch zu sehr im Fluss. Die bestehenden Gesetze werden im einzelnen noch nachgebessert werden, neue Ausführungsvorschriften sind zu erwarten und grundsätzliche Fragen wie die nach dem Unternehmensstrafrecht sind vielleicht noch einmal zu stellen. Zwischenzeitlich gibt das Buch jedoch auch dem Praktiker wertvolle Hinweise. Als Tagungsband ist es vorbildlich man wünschte sich nur, daß es mit geringerem Abstand zur Veranstaltung erschienen wäre. Und dann mehr Tagungen zu solch brisanten Themen ...