Publikationen
Rezension

Geralf Prüfer: Korruptionssanktionen gegen Unternehmen - Regelungsdefizite/Regelungs­alter­nativen

Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2004. 306 Seiten. 44,- €.

Thema des Buches, das zugleich auch als Dissertation an der juristischen Fakultät der Humboldt Universität vorgelegt wurde, ist die These, dass die im deutschen Recht existierenden Ahndungsmaßnahmen gegen Unternehmen den Anforderungen des OECD Abkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr nicht gerecht werden.

Ausgehend von dieser Arbeitshypothese stellt der Autor die bestehenden Regelungen dar und bewertet sie. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass die von ihm diskutierten gesetzlichen und freiwilligen Regelungen entweder aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen keine ausreichenden Sanktionen darstellen. In der Folge entwickelt der Autor einen eigenen Regelungsvorschlag, der an § 30 OWiG anknüpft und aus Gründen, die nicht nachvollziehbar sind, im Wertpapierhandelsgesetz angesiedelt sein soll. Danach sollen Unternehmen mit Geldbußen belegt werden können, wenn ein im Geschäftsverkehr für ein Unternehmen verantwortlich Handelnder einen Amtsträger bestochen hat oder dies versuchen würde. Bei der Höhe der Bußgelds macht der Autor Anleihen bei den US Sentencing Guidlines und dem Foreign Corrupt Practices Act.

Die vom Autor aufgeworfene Frage ist interessant und untersuchenswert. Das Ergebnis (Regelungsdefizit) und der Lösungsvorschlag diskutabel. Der Ansatz würde Anlass für einen breiten Überblick über aktuelle Sanktionsmöglichkeiten geben, deren Für und Wider abzuwägen und könnte damit unabhängig vom Ergebnis einen fruchtbaren Beitrag zu einer spannenden Diskussion leisten. Diese Chance hat der Autor leider nicht genutzt. Dafür sind im Wesentlichen drei Faktoren ausschlaggebend.

Obwohl es sich um eine juristische Promotion handelt, die angabegemäß in den Jahren 2000 und 2001 entstand und im Herbst an den aktuellen Stand der Rechtsprechung und Gesetzgebung angepasst wurde, weist sie zum Teil eklatante Fehler auf. Die existierenden und in der Diskussion befindlichen Regelungsalternativen werden nur teilweise, nicht immer vollständig und richtig dargestellt. Die Darstellung ist zum Teil umständlich und wiederholt sich häufig, wobei der Autor sich zum Teil selber widerspricht.

Ein Blick in das Literaturverzeichnis offenbart, dass die ausgewertete Literatur mit wenigen Ausnahmen aus den 90er Jahren stammt. Damit werden fünf Jahre wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit dem Phänomen Korruption ausgeblendet. Nur so ist es auch zu erklären, dass der Autor beklagt, dass der Nachweis der Unrechtsvereinbarung bei Taten nach § 334 StGB äußerste praktische Schwierigkeiten auslöse und es deswegen nur in wenigen Fällen zu einer strafrechtlichen Ahndung derartiger Delikte käme. Zum Beleg zitiert der Autor ein Urteil des BGH aus dem Jahre 1999 und das Gutachten Döllings zum 61. Deutschen Juristentag im Jahre 1996. Dabei übersieht er, dass eine konkrete Unrechtsvereinbarung seit 1997 nicht mehr Tatbestandsvoraussetzung des § 334 StGB ist.

Dieser Fehler schleppt sich durch die gesamte Arbeit und hat so maßgeblichen Einfluss auf die Analyse des Autors. Die Liste der Ungenauigkeiten ließe sich noch lange fortsetzen, würde aber den Rahmen dieser Rezension sprengen.

Die Darstellung der verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten ist unvollständig. So findet die Rückgewinnungshilfe, die in der Praxis der Strafverfolgungsbehörden in den letzten fünf Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen hat, ebenso wenig Berücksichtigung wie die Gewinnabschöpfung und das dort verankerte Bruttoprinzip, das letztlich bedeutet, dass nicht nur der Gewinn aus einer kriminellen Handlung, sondern der gesamte Erlös aus einer Straftat abgeschöpft werden kann, ohne dass der Täter etwaige Ausgaben dagegen rechnen kann. Für den Fall der Bestechung bedeutet dies, dass die gesamte Vergütung für einen durch Bestechung erlangten Auftrag im Strafverfahren für verfallen erklärt werden kann (§73 StGB).

Der Autor stellt einige aktuelle und in der Diskussion befindliche Regelungen dar. So befasst er sich unter anderem mit Integritätspakten denen er aber auf der Grundlage einer unvollständigen Darstellung ihrer Funktionsweise im Ergebnis unzutreffend die Wirksamkeit abspricht.

Korruptionsregister werden zwar an verschiedenen Stellen der Arbeit erwähnt, eine echte Auseinandersetzung mit ihnen fehlt aber.

In dem Abschnitt Stigmatisierung als Korruptionssanktion kommt der Autor zu dem unzutreffenden Schluss, dass Korruption ausschließlich bei der Vergabe von Leistungen der öffentlichen Hand stattfindet: „Der private Kunde braucht nicht zu befürchten, bestochen zu werden. Vielmehr ist Korruption ein Fehlverhalten, das von der Natur der Sache her keine zielführende Anwendung auf private Kunden finden kann.“ Die immensen Schäden, die Korruption in der Privatwirtschaft bekanntermaßen verursacht, werden vom Autor übersehen.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht mehr überraschend, dass der Autor zu dem Ergebnis kommt, dass es an wirksamen Sanktionen gegen Unternehmen fehlt. Ob dieses Ergebnis bei vollständiger und zutreffender Berücksichtigung der Änderungen in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Strafverfolgungspraxis in den letzten fünf Jahren so uneingeschränkt aufrecht erhalten werden kann, darf bezweifelt werden.

Da der Autor darüber hinaus dazu neigt, einfache Sachverhalte kompliziert darzustellen und sich umfassend zu wiederholen, können wir das Werk nicht zur Lektüre empfehlen. Dies ist bedauerlich, denn das Thema ist von erheblicher praktischer Bedeutung und eine Wirkungsanalyse der verschiedenen Sanktionen gegen Unternehmen in Deutschland, ein Vergleich mit Regelungen in anderen Ländern und daraus abgeleitete Empfehlungen würden einen wertvollen Beitrag für die Auseinadersetzung mit Korruption und ihrer Sanktionierung leisten können. Das vorgelegte Buch wird diesem Anspruch, den es selber an sich stellt, nicht gerecht.