Publikationen
Rezension

Eva Joly, Im Auge des Zyklons. Mein Kampf gegen Korruption und den globalen Finanzbetrug.

Aus dem Französischen von Elisabeth Liebl. Riemann Verlag 2003. ISBN: 3570500519. 18 €

Eva Joly schildert in ihrem Buch auf packende Weise, wie sie, die ehemalige Juristin im Gesundheitswesen, dann Spezialistin für die staatliche Sanierung insolvenzbedrohter Unternehmen, Richterin am Provinzgericht und schließlich Pariser Ermittlungsrichterin, dazu kam, sich dem bis dahin zwar allgemein akzeptierten, aber zutiefst korrupten System an der Spitze der französischen Wirtschaft und Politik zu stellen.

Joly ist während ihrer acht Jahre als Ermittlungsrichterin immer wieder, mal freundschaftlich wohlmeinend, mal unter akuten Todesdrohungen, aufgefordert worden, zu gehorchen und damit gleichzeitig nicht ihre Pflicht (vor dem Recht und der Gemeinschaft) zu tun. Ihr Buch regt jeden Leser dazu an, sich zu überlegen, wie weit er selbst gehen würde, seine Pflicht zu erfüllen. Das was Joly beschreibt, ist sicherlich klassisches Whistleblowing, wenn auch in extrem exponierter Position. Es kann niemandem dazu geraten werden, unter Morddrohungen seinen Aufgaben im Interesse des Gemeinwohls weiter nachzugehen, selbst wenn diese noch sehr einen gesetzlichen Auftrag darstellen. Whistleblower können aber nicht anders.

Joly hat auch dieses, ihr zweites Buch, dazu genutzt, eine Öffentlichkeit für ihre letzte, sonst umfassenden Geheimhaltungsverpflichtungen unterliegende, Tätigkeit zu schaffen. Auch das ist natürlich nicht jedem Whistleblower möglich. Entsprechend finden wir in dem Buch natürlich keinerlei Enthüllungen, die die Verfahren um den ELF-Skandal betreffen. Wir lernen aber viel über die Reaktionen einer Machtelite, deren Machenschaften aufgedeckt werden. Wir können Joly förmlich zusehen, wie ihr immer wieder die Kinnlade runterfällt, wenn sie über die Jahre ein ums andere Mal mit der Arroganz konfrontiert wird, mit der die Eliten ihre Macht missbrauchen, um Milliardenbeträge zu veruntreuen. Mit der Arroganz, mit der diese Spitzen der Gesellschaft sie mit dem Tode bedrohen, während ihr die Justiz zwar Personenschutz zur Verfügung stellt (während sie zugleich den Geheimdienst fürchten muss), sie aber bei ihren eigentlichen Aufgaben im Stich lässt und explizit entmutigt. Auch die Medien befinden sich in den Händen der korrupten Eliten: Der auffällig gewordenen Großkonzerne (in Frankreich gehören etwa zwei der führenden Blätter einem Rüstungskonzern, die italienische Situation bedarf keiner Erwähnung, wie viel besser es bei uns ist, bleibt offen).

Eva Joly hat ihr Aufgabe als Ermittlungsrichterin beendet und ist mittlerweile als Beraterin der norwegischen Regierung für Fragen der internationalen Korruption und Geldwäsche tätig. Sie lädt uns damit alle ein, als Mitglieder der Zivilgesellschaft an ihrem Engagement teilzuhaben. Sie hatte mit einigen prominenten Mitstreitern, zu denen auch Peter Eigen, Kamal Hossain und TI-S gehören, die "Erklärung von Paris" in die Öffentlichkeit gebracht, um Einfluss auf die Verhandlungen zur UN-Konvention gegen Korruption zu nehmen. Das Buch ist also nicht nur spannender Lesestoff, sondern enthält auch einen dringenden Aufruf mitzumachen: Mit den relevanten Kräften in der Gesellschaft für mehr Transparenz und gegen die Straflosigkeit korrupter Eliten einzutreten.