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Es soll also so weitergehen, wie bisher

Beitrag von Jochen Bäumel zum Lobbyregister

Im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD sind viele Vorhaben und Versprechen festgehalten worden. Was gänzlich fehlt sind Verbesserungen, die der Macht und vor allem dem Machtmissbrauch ein Stoppschild entgegenhalten.

Dem Koalitionspapier ist nicht zu entnehmen, wie die Macht von Konzernen und Unternehmen sichtbar gemacht werden könnte, wenn sie über ihre Lobbyorganisationen Einfluss auf die Politik nehmen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Interessenvertretung von Unternehmen gegenüber der Politik ist legitim und selbstverständlich für eine Demokratie, aber muss sie im Geheimen stattfinden und sich damit einer öffentlichen Diskussion entziehen?

Es ist kein Betrug, keine Täuschung, die von jetzt auf gleich einsetzt, sondern es ist die schleichende Akzeptanz von kleinen Grenzüberschreitungen. So haben es deutsche Regierungen zugelassen, dass sich zwischen der Automobilindustrie und den kontrollierenden Behörden eine Kumpanei breitmachte, die es selbstverständlich erscheinen ließ, dass zwischen den Angaben zu Verbrauch und Schadstoffausstoß auf den Prüfständen und den Werten im realen Verkehr eine große Kluft entstand.

Die Hörigkeit im Kanzleramt gegenüber Argumenten der Industrie – etwa dazu, dass strengere Abgaswerte, wie von der EU geplant, nicht erreicht werden könnten – ist beschämend. Wer wie VW in den USA über 20 Milliarden US-Dollar Strafe wegen des Verstoßes gegen Umweltauflagen bezahlen muss, für den wäre es ein Leichtes gewesen, von Vornherein die technischen Möglichkeiten bei der Abgasreinigung von Dieselmotoren einzusetzen, ohne dabei die Konkurrenzfähigkeit und Arbeitsplätze zu gefährden.

Der Skandal um die Tests eines von der Autoindustrie finanzierten Lobbyinstituts mit Affen und Menschen, die Dieselabgase einatmen mussten, zeugt nicht nur von Dummheit, sondern auch von einer skrupellosen Dreistigkeit der verantwortlichen Manager. Dies stellt nicht nur ein moralisches Versagen einzelner Verantwortlicher dar. Es ist ein strukturelles Versagen der Konzerne, in denen Führungsorgane nicht zu wissen scheinen, was in ihren Konzernen geschieht. Derartige Auswüchse werden erst verurteilt, wenn sie ans Tageslicht gekommen sind.

Ein verpflichtendes Lobbyregister mit Angaben über den finanziellen Aufwand der Lobbyisten und ihrer jeweiligen Organisation wird seit mehreren Legislaturperioden durch die Unionsparteien verhindert. Dazu gehört auch ein legislativer Fußabdruck sowie eine Plenardebatte, die sichtbar machen, welche Argumente in ein Gesetzgebungsvorhaben eingeflossen sind – oder auch nicht.

Der Glaube, dass sich schnell etwas ändern würde, wäre naiv. Auf Dauer jedoch würde der Druck und die Rechtfertigung in der Öffentlichkeit einen notwendigen kulturellen Wandel auch in den Konzernen befördern. Es ist das Gegengift, um die ständigen Einflüsterungen aus der Lobbywelt zu neutralisieren.

Was in Brüssel möglich ist – dort gibt es ein EU-Lobbyregister, dass Transparenzregister genannt wird – wird in Berlin nicht wirklich gewollt. Bei den Jamaika-Verhandlungen konnte es CDU/CSU angeblich noch „abverhandelt“ werden. Bei den Verhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD hat es sich in nichts aufgelöst. Der Gegenwind aus Bayern sei zu stark gewesen, konnte man lesen. Man könnte allerdings auch den Eindruck gewinnen, dass man sich gerne in dem Lüftchen gebogen hat.

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