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Der Beirat stellt sich vor: Christian Humborg

Interview mit Christian Humborg

„Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V.“: So lautet der vollständige Titel des Vereins, für den Christian Humborg als Leiter Finanzen & Zentrale Dienste sowie als Permanenter Stellvertreter des Geschäftsführenden Vorstandes tätig ist. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler hat in Berlin, Kapstadt, Frankfurt und London gearbeitet, bevor er 2007 als Geschäftsführer zu Transparency Deutschland kam. 2014 wechselte er als kaufmännischer Geschäftsführer zum gemeinnützigen Recherchezentrum CORRECTIV, Ende 2016 dann zu Wikimedia. Seit 2015 gehört Christian Humborg dem Beirat von Transparency Deutschland an.

Du leitest die Finanzabteilung von Wikimedia Deutschland. Wikipedia kennt jeder – aber was genau ist und macht Wikimedia?
Unser Ziel ist der freie Zugang aller Menschen zum Wissen der Welt. Wikipedia ist unser größtes, aber bei Weitem nicht einziges Projekt, um dieses Ziel zu erreichen. Wichtiges Ziel von Wikimedia ist die Unterstützung ehrenamtlicher Autorinnen und Autoren bei ihrer Arbeit. Wir entwickeln Software, die die Verbreitung von Wissen ermöglicht. Wikidata ist eine freie Datenbank, deren Informationen von allen genutzt werden können – ganz ähnlich wie Wikipedia. Im politischen Raum kämpfen wir für eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Freies Wissen. Wir gehen mit Kulturinstitutionen wie Museen oder Archiven Partnerschaften ein, um deren Wissensbestände für die Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen.

Wie groß ist das Finanzbudget, das Du verwaltest, und wie setzt es sich zusammen? Bekommt Wikimedia auch Zuschüsse durch die öffentliche Hand?
Der Wikimedia Deutschland e.V. hat für das laufende Jahr2017 ein Budget von rund 7,4 Millionen Euro. Dies speist sich grob zu jeweils einem Drittel aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und zweckgebundenen Zuwendungen zum Beispiel von Stiftungen. Dort finden sich auch immer mal wieder Zuschüsse durch die öffentliche Hand, aber nur in geringem Umfang. Die programmatischen Ausgaben verteilen sich von der Bedeutung her in dieser Reihenfolge auf die drei Handlungsfelder Softwareentwicklung; Freiwillige unterstützen und halten; und Rahmenbedingungen für Freies Wissen stärken.

Viele unserer Leser und Mitglieder kennen Dich noch aus Deiner Zeit als Geschäftsführer von Transparency Deutschland. 2014 hast Du eine neue Herausforderung beim Recherchezentrum CORRECTIV angenommen – wie hat sich seither Dein Blick auf das Themenfeld Intransparenz/Korruption verändert?
Durch die intensive Auseinandersetzung mit den Rechercheergebnissen von CORRECTIV bin ich nicht mehr so überzeugt, dass Korruption nur im Verborgenen blüht, zumindest dann, wenn ein weiter Korruptionsbegriff angelegt wird. Der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Vorteil findet oft vor den Augen aller statt, wie beispielsweise im ein oder anderen Fall bei Nebeneinkünften von Abgeordneten. Insofern darf unser Sensorium nicht allein auf die verborgene, rechtlich verbotene Bestechung fokussiert sein. Transparenz ist ein wichtiges Instrument zum Kampf gegen Korruption, aber eben kein Maßstab.

Zur Wahrnehmung jener Korruption, die so sichtbar stattfindet, muss den Menschen also die Augen geöffnet werden – und was wäre aus Deiner Sicht dann nötig, um Abhilfe zu schaffen?
Im Fokus der Kritik muss der Missbrauch anvertrauter Macht stehen und die dafür verantwortlichen Akteure müssen klar benannt werden. Ich denke an die Bundestagsabgeordnete Karin Strenz, die Gelder der aserbaidschanischen Lobby kassierte und dann als einzige deutsche Abgeordnete im Europarat gegen eine Forderung zur Freilassung politischer Gefangener in Aserbaidschan stimmte. Ich denke an Automanager, die das Leben Tausender riskieren, und ungeniert ihre Bonuszahlungen kassieren. Ich denke an AfDAbgeordnete, die doppelt Diäten für Mandate in zwei Vollzeitparlamenten kassieren.


Die Fragen stellte Heike Mayer.