Publikationen
Rezension

Carolin Richter: Lobbyismus und Abgeordnetenbestechung – Legitimität und Grenzen der Einflußnahme von Lobbyisten auf Abgeordnete.

Shaker Verlag, Aachen 1997, 208 Seiten, 36,- €

Aktuell ist das Buch von Carolin Richter nicht, betrachtet man allein das Erscheinungsjahr 1997. Umso aktueller sind jedoch ihre Analyse und Forderungen hinsichtlich der Einflussnahme von Lobbyisten auf Abgeordnete, schaut man sich die jüngste Diskussion um Nebentätigkeiten von Abgeordneten an. Beinahe alle der Forderungen, die sie am Ende ihrer Untersuchung erhebt, sind bis heute nicht erfüllt worden.

Das Buch ist die 211-seitige Veröffentlichung der Dissertation von Carolin Richter, die in Rechtswissenschaft an der Universität Bremen promoviert wurde. Kern der Arbeit ist die Analyse des §108e StGB, der den Tatbestand der Abgeordnetenbestechung regelt. Richter stellt fest, dass der eng gefasste Paragraph nur sehr wenige Formen der Bestechung bzw. Bestechlichkeit bestraft. Beispielsweise ist allein der Kauf oder Verkauf einer Stimme strafbar. Weiterhin muss es sich um eine Stimme bei der Wahl oder Abstimmung in einer Volksvertretung handeln. Verurteilungen können demnach nicht erwartet werden, da nur unübliche Formen der Korruption bestraft werden. Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Abgeordneten und Lobbyisten sind dahingegen nicht strafbewehrt. Trotz dieser sehr pessimistischen Einschätzung kommt Carolin Richter allerdings nicht zum Ergebnis, eine Verschärfung des §108e StGB zu fordern. Dies begründet sie mit dem Grundsatz, Strafrecht insgesamt nur restriktiv einzusetzen und auf das Maß des Erforderlichen zu beschränken. Vor diesem Hintergrund unternimmt sie den Versuch, die realiter auftretenden unerwünschten Formen der Einflussnahme von Lobbyisten auf Abgeordnete durch öffentlich-rechtliche Regelungen zu verhindern. Hierzu schlägt sie folgende Maßnahmen vor:

  • die Verabschiedung der Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages als Gesetz;
  • eine Ausdehnung der Anwendung der Verhaltensregeln auf Personen, die sich um ein Parlamentsmandat bewerben;
  • die Aufnahme von Kriterien in die Verhaltensregeln, die zulässige von unzulässigen Interessenbindungen, wie z.B. ungewöhnlich hohe Entgelte für Beratungen oder Gutachten, abgrenzen;
  • die Aufnahme eines Mitwirkungsverbotes bei Befangenheit in die Verhaltensregeln;
  • die Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Verhaltensregeln;
  • eine Erweiterung der „Verbändeliste“ nach US-amerikanischen Vorbild, wonach die Interessenvertreter verpflichtet sind, über ihre Arbeitgeber, ihre Entgelte, ihre Spesen, ihre Einnahmen und Ausgaben sowie über Empfänger und Zweck der Ausgabe Auskunft zu geben;
  • die Einführung einer Inkompatibilitätsregel, nach der eine leitende Funktion in einem Interessenverband nicht mit der Mitgliedschaft im Bundestag zu vereinbaren ist.

Auch wenn die Struktur der Arbeit für einen Nichtjuristen nicht an jeder Stelle einleuchtend ist, bietet sie eine exzellenten Überblick über ein für Transparency International wesentliches Spezialthema.