Publikationen
Rezension

Akatshi Schilling und Uwe Dolata (Hg.): Korruption im Wirtschaftssystem Deutschland.

Mankau Verlag: Murnau, 2004. 182 S., 16,90 €. ISBN: 3980956504

"Korruption von Brüssel bis Würzburg" - unter diesem Titel fand im März 2004 in Würzburg ein Symposium statt, zu dem sich hochkarätige Experten aus Hochschulen, Medien, Staatsanwaltschaft, EU-Behörden und Nichtregierungsorganisationen trafen. Das vorliegende Buch dokumentiert die Stellungnahmen der Redner. Im Mittelpunkt steht jedoch die gleichnamige Diplomarbeit der Betriebswirtin Akatshi Schilling mit einer Zusammenstellung von Auswirkungen und Präventionsmechanismen sowie ethischen Betrachtungen zur Korruption. Sie skizziert die Rechtslage in Deutschland und beschreibt mithilfe des Principal-Agent- Modells die Strukturen der Korruption. Das Münchner Klärwerkskartell bietet dazu ein anschauliches Beispiel. Ihre Gegenüberstellung von Fällen in der DDR und der Bundesrepublik zeigt die unterschiedlichen Gesichter des gleichen Phänomens: In der DDR fürchteten Untergebene die Willkür vorgesetzter Funktionäre. Daher wurden beispielsweise Grundstückskäufe zu Niedrigpreisen oder Importe auf Kosten der allgemeinen Bevölkerung klaglos ausgeführt. In der Bundesrepublik zeigen der Flickskandal oder der Umgang mit Berliner Lotto- Geldern, wie sehr die Parteien von Finanzquellen abhängen. Es gibt eben nicht nur einen Markt für Rohstoffe, Aktien und Gemüse, sondern auch einen für politischen Einfluss. Akatschi stellt Methoden zur Korruptionsbekämpfung in der öffentlichen Verwaltung und bei Polizei und Staatsanwaltschaft zusammen und verschweigt auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung nicht.

Der Journalist Jürgen Roth beschreibt Wirtschaftsverbrechen als "Steroide im Bodybuilding der globalen Weltwirtschaft": Ein Aufbaumittel mit tödlichen Folgen. Am Beispiel des Kölner Müllbeseitigungsskandals von 2002 oder der Verflechtungen um den niedersächsischen Ministerpräsidenten Glogowski (1999) zeigt er, wie die Ermittlungen der Polizei und die Ahndungen der Justiz systematisch ausgehebelt und behindert wurden. In der chronisch überlasteten und unterfinanzierten Justiz würden Verfahren nach Intervention höchster "Würdenträger" eingestellt.

Die Korruption ist laut Wolfgang Schaupensteiner das trojanische Pferd der Demokratie. Der Leiter der Anti-Korruptionsabteilung der Frankfurter Staatsanwaltschaft sieht in der Korruption eine Wachstumsbranche, die das Gemeinwohl systematisch aushöhlt. Da es bei dieser Transaktion keine direkten Opfer gibt, sondern nur zwei Täter, ist das Dunkelfeld bei der Korruption besonders groß. Der Schulterschluss des Schweigens muss durch externe Kontrolle aufgebrochen werden. In seinen 10 Geboten zur Korruptionsbekämpfung fordert er u.a.: Schwarze Liste für auffällige Unternehmen, 5- Jahressperre für Entscheider bei Vergabeprozessen bei Wechsel in die Industrie, legale Lauschangriff über das Telefon, kleine Kronzeugenreglung, Kompetenzzentren in der Strafverfolgung, gläserne Verwaltung durch Informationsfreiheitsgesetz, landesweite Ombudsleute und unabhängige Kontrollstellen.

Dr. Wolfgang Hetzer, Abteilungsleiter der Brüsseler Antikorruptionsbehörde OLAF widerlegt das Vorurteil, dass Schmiergelder nur in Entwicklungsländer gezahlt werden. Die Zahlungen innerhalb der Industrieländer seien um ein vielfaches höher, weil durch die dezentrale Entscheidung bis zu 100 Personen geschmiert werden müssten, die alle höhere Gehälter gewöhnt seien als Entscheidungsträger aus Entwicklungsländern. Hetzer sieht die USA als Führungsnation bei der Globalisierung der Korruption. Firmenzusammenschlüsse (Merger & Acquisition) oder das Konzept des Shareholdervalue würden als moderne Legalisierungsstrategie dienen.

Dr. Anke Martiny, ehemalige Geschäftsführerin von TI Deutschland und heute verantwortlich für den Themenbereich "Korruption und Gesundheit", schildert "Nutzen und Wirken einer Koalition gegen Korruption im Dschungel der verborgenen Abhängigkeiten". TI verfolge bewusst keine Einzelfälle der Korruption, sondern wolle in Zusammenarbeit mit Staat, Politik und Wirtschaft Allianzen für die strukturelle Reform bilden.

Der Ansatz der Koalitionsbildung sei jedoch umstritten. Von der Presse ist TI als Feigenblatt der Industrie bezeichnet worden, die ihre korrupten Machenschaften mit Hilfe der Mitgliedschaft in der Organisation notdürftig verdecken. Erfolge in den letzten 10 Jahren würden jedoch zeigen, dass komplexe Verflechtungen nur mit internationalen Koalitionen zu bekämpfen sind: In engem Dialog mit zahlreichen Wirtschaftsunternehmen entstanden die TI Business-Principles, die regeln, wie Unternehmen ohne Korruption erfolgreich wirtschaften können. TI stellte mit seiner Koalitions-Politik maßgeblich die Weichen für die Erstellung und Umsetzung der OECD-Konventionen zur Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger. Die eher skeptischen Politikvertreter konnten mit dem Argument gewonnen werden, dass Deutschland in gegenseitigen Evaluierungsverfahren auch die Praktiken in anderen Ländern überprüfen kann. Ähnlich wirkt auch der von TI entwickelte Integritätspakt: Bei Großprojekten geloben alle Anbieter die Unbestechlichkeit, deren Einhaltung von einer externen Stelle überwacht wird.

Der Würzburger Wirtschaftskriminalist Uwe Dolata zeichnet als Mitherausgeber des Buches ein nach Branchen aufgegliedertes Lagebild der Korruption. Demnach finden sich in der Baubranche die meisten Geber, während sich das Gesundheitswesen durch die meisten Nehmer auszeichnet. Die Politik habe wenig Interesse an Aufklärung, weil der Druck der Bevölkerung noch nicht groß genug sei. Der Bürger wird verraten und verkauft, aber oft bewundert er im Geheimen die Mächtigen, weil sie am Ende doch nicht belangt werden können. Er fordert externe Anti- Korruptionsbeauftragte in jeder Stadt und ein Informationsfreiheitsgesetz. Denn Transparenz ist der Todfeind der Korruption.