Zum aktuellen Zahnärztebetrugsskandal
Berlin, 11.03.2003
Auf Grund des jüngsten Skandals im Medizinbereich - dem Verdacht auf massenhaften Betrug von Zahnärzten in Verbindung mit korrupten Verbindungen zu Zulieferern von Zahnersatz - legt TI Deutschland ein Papier vor, welche Formen von Korruption bei Zahnärzten möglich und offenbar nicht selten sind. Damit will TI Deutschland einen Beitrag zur aktuellen Reformdiskussion im Gesundheitswesen leisten.
Das Papier zeigt: Ohne die redlich arbeitenden Zahnärzte und zahntechnischen Labors zu diskriminieren, lässt sich feststellen, dass es auf dem Gebiet der Zahnheilkunde ziemlich einfach ist, betrügerische Absichten in Taten umzusetzen, weil das Fachgebiet kompliziert und völlig intransparent ist. Patienten sind dem Treiben hilflos ausgeliefert.
Betrug und Korruption können sich ungehindert ausbreiten, weil die "Kollegialität" der Mitspieler und der Zuständigkeitswirrwarr der Selbstverwaltung Kontrolleuren die Arbeit erschweren bzw. unmöglich machen. Aber selbst dort, wo Kontrollen einfacher durchzuführen wären, geschehen sie viel zu selten. Die Versicherten sind zwar zur Beitragszahlung verpflichtet, es werden ihnen aber keinerlei Rechte bei der Entscheidung über deren Verwendung eingeräumt. Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion darüber, die zahnärztlichen Leistungen gänzlich aus dem Katalog der Pflichtleistungen herauszulösen, geradezu absurd: Zunächst müssen Mitwirkungsrechte der Patienten beim Sparen von Kosten geschaffen werden. Dazu braucht es Kostentransparenz.
Die kassenzahnärztlichen Vereinigungen versagen in ihren Aufsichtspflichten völlig, und die Ächtung betrügerisch arbeitender Zahnärzte durch die Zahnärztekammern bleibt entweder völlig aus oder ist wirkungslos, obgleich die schwarzen Schafe im Kollegenkreis bekannt sind.
Die Schäden, die dem Gesundheitssystem durch betrügerisches Handeln von Zahnärzten in Verbindung mit den zahntechnischen Labors entstehen, belaufen sich auf viele Millionen Euro im Jahr. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen durch teure Tarife in der gesetzlichen Krankenversicherung für diese messbaren Schäden aufkommen.
Es ist ein Skandal, dass die Patientendaten bei den Kassen nur zwei Jahre aufgehoben werden müssen, so dass schlechte Facharbeit oder betrügerisches Handeln kaum nachzuweisen sind.
Von einer höheren Eigenbeteiligung bei Zahnersatz darf erst dann gesprochen werden, wenn die Lücken bei Gesetzgebung und Aufsicht geschlossen sind, die betrügerisch und schlecht arbeitenden Zahnärzten ihr verantwortungsloses Handeln weiterhin gestatten.
Es ist nicht die Aufgabe von Transparency International, ein besseres Gesundheitssystem zu entwickeln. Um aber Betrug, Korruption und Missbrauch zu bekämpfen, schlagen wir in der Ergänzung früherer Forderungen von TI Deutschland unter anderem die folgenden Maßnahmen vor:
- Eine detaillierte Rechnung auch bei Füllungen und auch bei Kassenpatienten, die sie verstehen und damit überprüfen können
- Sämtliche Verträge nebst Anlagen und Protokollnotizen, Nachverträge, rückwirkende Vereinbarungen, Schiedsentscheidungen müssen eingesehen werden können. Bisher sind weder Kassenärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigungen noch Krankenkassen verpflichtet, Patienten und Beitragszahler (also Arbeitnehmer und Arbeitgeber), über die bestehenden Verträge auf Landes- bzw. Bundesebene in Kenntnis zu setzen.
- Teure Arbeiten sollten wegen der Unmöglichkeit der zerstörungsfreien Prüfung mit Fotos dokumentiert werden müssen. Sachgerechtigkeit und Qualität müssen von den Kassen überprüft werden können, um Betrug und Korruption zu unterbinden.
- Die Dokumente sind länger als zwei Jahre aufzubewahren, um in Verdachtsfällen eine Strafverfolgung zu ermöglichen
- Die Kassen sollten die Geschäftsverbindungen zwischen Arzt und Labor nachvollziehen können. In jedem Fall ist im Interesse der Beitragszahler auf einer transparenten, getrennten Abrechnung von zahnärztlichen und Laborleistungen zu bestehen.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Dr. Anke Martiny, Tel. 030 - 549898 0
Dagmar Schröder, Tel. 030 - 549898 0