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Wie man die staatliche Parteienfinanzierung erhöht (und wie nicht)

Von Prof. Dr. Michael Koß

Die Parteienfinanzierung ist durch eine Reihe von Paradoxien gekennzeichnet. Diejenigen Finanzierungsformen, die als wünschenswert gelten (namentlich Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden), reichen in den meisten westlichen Demokratien nicht zur Deckung des Finanzbedarfs der Parteien aus. Diejenigen Einkommensarten hingegen, die in größerem Umfang verfügbar sind (namentlich Groß- und Unternehmensspenden sowie eine staatliche Parteienfinanzierung), werden häufig als unangemessene Eingriffe in den politischen Wettbewerb zugunsten etablierter Akteure, mithin als schlechterdings korrupte Formen der Finanzierung politischer Parteien, angesehen.

Vor dem Hintergrund dieses Zielkonflikts möchte ich in diesem Beitrag eine gute und eine schlechte Nachricht überbringen. Die gute Nachricht: Die staatliche Parteienfinanzierung ist besser als ihr Ruf, und sie kann als beste aller schlechten Lösungen des skizzierten Problems der Parteienfinanzierung angesehen werden. Allerdings tut eine überwiegend staatliche Finanzierung nur dann dem Ansehen der Parteien keinen Abbruch, wenn sie mit umfangreichen Transparenzregeln einhergeht. Andernfalls steht der Vorwurf der Selbstbedienung im Raum, und zwar unabhängig davon, wie stichhaltig er eigentlich ist. Die schlechte Nachricht lautet, dass just dieser Zusammenhang bei der jüngsten Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung im Bundestag ausgeblendet wurde. Im Ergebnis haben CDU/CSU und SPD damit das Richtige getan, aber auf die falsche Art und Weise und damit dem Verdacht einer Selbstbedienungsmentalität weiter Vorschub geleistet.

Zunächst zur guten Nachricht. Obwohl Öffentlichkeit und Politikwissenschaft die Frage nach dem korrumpierenden Einfluss staatlicher Zuwendungen immer wieder diskutieren, seit diese in den späten 1950er Jahren erstmals eingeführt wurden, finden sich in der einschlägigen Literatur keine stichhaltigen Belege dafür. Im Gegenteil, dort wo eine staatliche Parteienfinanzierung existiert, sind die Zugangshürden in aller Regel so niedrig, dassdiese eben nicht ausschließlich den etablierten Parteien zugutekommt. In Deutschland liegt diese Hürde bundesweit bei einem Stimmenanteil von lediglich 0,5 Prozent; in den Bundesländern bei einem Prozent. Sowohl Grüne als auch AfD haben bei ihrem Aufstieg ganz maßgeblich von der staatlichen Parteienfinanzierung profitiert.

Gleichzeitig bestehen in den meisten europäischen Ländern mit staatlichen Zuwendungen Obergrenzen, sei es für die Einnahmen oder für die Ausgaben der Parteien. Dies wäre auch in Deutschland sinnvoll. Bei Spenden über beispielsweise 100.000 Euro ist es schlicht schwer vorstellbar, dass diese vollkommen ohne Hintergedanken gegeben werden. Nur am Rande erwähnt sei, dass für private Groß- und insbesondere Unternehmensspenden eine solche Entwarnung nicht gegeben werden kann. Hier gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass Politiker nach der Annahme solcher Spenden mehr als zuvor im Sinne ihrer Spender entscheiden.

Damit sind wir bei der schlechten Nachricht angelangt. Nur weil eine staatliche Parteienfinanzierung gleichermaßen mach- und wünschbar ist, bedeutet das nicht, dass sie ohne weiteres eingeführt und ausgebaut werden kann. Zwar scheint es angesichts der politikwissenschaftlichen Literatur so, als ließe sich ein politisches System - salopp formuliert - mit staatlichem Geld fluten, so dass die Anreize für Korruption minimiert werden. Damit ist aber noch nichts über die Vorbehalte seitens der Wählerinnen und Wähler gesagt, die unabhängig von ihrer Stichhaltigkeit eine fatale Wirkung auf die Legitimität politischen Handelns haben können.

Anders formuliert: Ob öffentlicher Unmut über „die“ Politik auf realem Fehlverhalten oder gefühlten Wahrheiten beruht, ist für das Ansehen des Staates und seiner politischen Repräsentanten unerheblich. Deshalb ist es zwingend erforderlich, substanzielle Ausweitungen der staatlichen Parteienfinanzierung durch verbesserte Transparenzregeln zu flankieren, um so auch nur dem Anschein der Selbstbedienung entgegenzuwirken.

Schauen wir uns die Situation in Deutschland an, dann drängt sich jedenfalls nicht der Eindruck eines Mangels an staatlichen Zuwendungen auf. Neben ihrer staatlichen Finanzierung kommen den deutschen Parteien indirekt auch noch die Fraktionsfinanzierung und die sogenannten Globalzuschüsse an die parteinahen Stiftungen zugute. Wie das Schaubild (in dem der Einfachheit halber nur die Fraktionsfinanzierung im Bundes-, aber nicht den Landtagen berücksichtigt ist) zeigt, stiegen damit die staatlichen Zuwendungen in den letzten 15 Jahren von rund 500 Millionen Euro auf knapp 700 Millionen Euro. Um nicht falsch verstanden zu werden: Dies ist die beste aller schlechten Lösungen für das Problem der Parteienfinanzierung. Allerdings weisen die Transparenzregeln in Deutschland noch immer eklatante Lücken auf. Schlimmer noch, die Regierungskoalition hat auch die jüngste Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 18 Prozent im Juni nicht zum Anlass genommen, die Transparenz in der Parteienfinanzierung auch nur im Geringsten zu verbessern. Die Außenwirkung einer solchen einseitigen Erhöhung ist verheerend und unterminiert das Vertrauen in die etablierten Parteien weiter. Dies gilt umso mehr, da die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung ohnehin an die Preisentwicklung in Deutschland gekoppelt ist.

Insbesondere zwei Reformen, die mehr Transparenz bringen würden, hätten sich im Zusammenhang mit der jüngsten Aufstockung der staatlichen Zuwendungen an Parteien angeboten: Erstens sollte über alle Formen der staatlichen Zuwendungen in einem integrierten Politikfinanzierungsbericht Rechenschaft abgelegt werden. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Zuwendungsformen mögen juristisch stichhaltig sein, politisch sind sie es nicht. Zweitens sollte diese integrierte Rechenschaftslegung der Parteien von einer unabhängigen Aufsichtsbehörde überwacht werden. Es ist nicht praktikabel, die Aufsicht über die Parteienfinanzierung einem Parteipolitiker wie dem Bundestagspräsidenten zu überlassen. Drittens sollte eine Offenlegung der Einnahmen aus Sponsoringaktivitäten analog zu Spenden eingeführt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt ist schlicht nicht nachprüfbar, wieviel Geld Parteien aus Sponsoringaktivitäten einnehmen. Viertens sollte die Obergrenze, von der an Spenden an Parteien unverzüglich offenzulegen sind, von derzeit 50.000 Euro auf beispielsweise 10.000 Euro abgesenkt werden. Beide Reformen mahnt die Group of States against Corruption (GRECO) des Europarats bereits seit 2009 erfolglos für Deutschland an.

Eine verbesserte Transparenz in der deutschen Parteienfinanzierung würde nicht nur Anreize zur Korruption verringern, sondern auch das Vertrauen der Wähler in die Politik stärken. Die substanzielle Ausweitung der staatlichen Parteienfinanzierung ohne jedwede begleitende Reform im Juni diesen Jahres erreichte das Gegenteil und leistete dem Eindruck Vorschub, den Parteien der Regierungskoalition gehe es allein um ein reines Nehmen ohne Geben.

Professor Dr. Michael Koß ist Vertretungsprofessor für Vergleichende Politikwissenschaft am Geschwister-Scholl-Institut in München und Mitglied der Arbeitsgruppe Politik bei Transparency Deutschland. Der vorliegende Beitrag basiert auf dem Artikel „Die beste aller schlechten Lösungen“ in der Zeitschrift „Der Staat“ (Jahrgang 57, Heft 3, S. 387–407). Dort finden sich auch weitere Nachweise.