Aktuelles
Hinweisgeberschutz

Whistleblowing - Moralisches Gebot oder Treuebruch?

Datum: 02.12.2014
Ort: Bremen

anlässlich des Antikorruptionstages 2014 Dienstag, 2. Dezember 2014, 19:30 Uhr Bürgerhaus Weserterrassen (Osterdeich 70B)


Veranstaltungsbaricht

Rudolf Elmer Michael Grauvogel Andreas Novak


Whistleblower (Hinweisgeber) sind laut Bundeslagebild Korruption des BKA seit Jahren die wichtigste Quelle für die Aufdeckung von Korruption, ungesetzlichen und unlauteren Praktiken. Dazu gehören typischerweise Bilanzfälschung, Steuer- und Versicherungsbetrug, Verbraucher- und Umweltschädigung, Insiderhandel, Menschenrechtsverletzungen, Datenmissbrauch oder allgemeine Gefahren, von denen der Whistleblower an seinem Arbeitsplatz oder in anderen Zusammenhängen erfährt. Dies betrifft vor allem Vorgänge in der Politik, in Behörden und in  Wirtschaftsunternehmen. In Deutschland gibt es keinen gesetzlichen Hinweisgeberschutz; es bleibt den Gerichten überlassen, wie sie mit Hinweisgebern umgehen. Die Rechtsprechung ist so uneinheitlich, dass sich Hinweisgeber auf gefährliches Terrain begeben. Wie ein Hinweisgebersystem aussehen kann, wie Whistleblowing gesetzlich geschützt werden kann und welche Umstände zu beachten sind, war Thema der Veranstaltung. Der Schweizer Whistleblower Rudolf Elmer, der bis zu seiner Entlassung fast zwei Jahrzehnte als Manager für die Schweizer Privatbank Bank Julius Bär arbeitete, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht an der Veranstaltung teilnehmen. Seine bedrückenden Erfahrungen wurden über ein Interview des Süddeutschen
Rundfunk (SWR) eingespielt. (https://www.youtube.com/watch?v=_vnUtGf3x-w) Der ehemalige Vizepräsident des Bremer Landesarbeitsgerichts Michael Grauvogel erläuterte an konkreten Gerichtsurteilen den mangelnden arbeitsrechtlichen (und strafrechtlichen) Schutz von Whistleblowern in Deutschland und machte deutlich, dass es grundsätzlich auf Dauer nicht Aufgabe von Gerichten sein kann, fehlende gesetzliche Regelungen durch Einzelfallentscheidungen zu kompensieren. Derzeit wägen die Gerichte Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gegeneinander ab. Wichtig dabei ist ob der Mitarbeiter sich ordnungsgemäß verhalten hat, ob eine Pflichtverletzung vorliegt und wem er die Informationen weitergegeben hat. Dabei wird berücksichtigt, dass Mitarbeiter grundsätzlich zur Verschwiegenheit und Loyalität gegenüber dem Unternehmen verpflichtet sind. Dies erfordert aber, dass der Mitarbeiter zunächst alle  innerbetrieblichen Möglichkeiten, für Abhilfe zu sorgen, ausgeschöpft hat, bevor er sich an Stellen außerhalb des Unternehmens, wie etwa Behörden, wendet. Das Aufdecken von Missständen kann zu einer Kündigung des Betroffenen und/oder zu Schadensersatzansprüchen führen, wenn es kein rechtmäßiges Whistleblowing war und der Betroffene damit seine Pflichten aus seinem Arbeitsverhältnis verletzt hat. Mitarbeiter wissen daher ohne gesetzlichen Schutz nicht, worauf sie sich einlassen. Whistleblowing sollte daher nicht spontan, sondern gut vorbereitet erfolgen und durch erfahrene juristische Unterstützung begleitet werden. Große Unternehmen bieten aus Eigeninteresse an der Aufdeckung von Missständen ihren Mitarbeitern gezielt Möglichkeiten, Verstöße anonym zu melden (Ombudsmänner, Antikorruptionsbeauftragte, Hotlines, anonyme Meldesysteme). Gibt es in dem Unternehmen einen Betriebsrat, muss mit diesem eine Betriebsvereinbarung
abgeschlossen werden. Für das TI Vorstandsmitglied Andreas Novak bleiben gesetzliche Regelungen notwendig, so lange Compliance-Richtlinien, die auch Regelungen zum Hinweisgeberschutz
enthalten, nicht für alle Unternehmen zwingend vorgeschrieben sind. Würden alle Unternehmen sich an die bereits bestehenden gesetzlichen Regeln halten, müssten wir die Frage gar nicht diskutieren. Immer wieder aufpoppende Skandale, Gammelfleisch, Kartellvergehen, Finanzskandale etc. zeigen jedoch, dass wir es mitunter mit krimineller Energie zu tun haben. Eine
freiwillige Selbstverpflichtung wird daher weder zielführend noch ausreichend sein. Es muss deshalb Hinweisgebersysteme geben, die in diesen Fällen die Vertraulichkeit rechtlich und tatsächlich gewährleisten. Transparency International setzt sich in besonderem Maße für eine Kultur der Offenheit, Transparenz und des Hin- und nicht des Wegsehens ein. Wer einen
ernsthaften Hinweis auf Straftaten gibt, ist kein Denunziant, Nestbeschmutzer oder Verräter, sondern handelt als verantwortungsvolles Mitglied der Zivilgesellschaft.


Weitere Informationen:
Das deutsche Whistleblower- Netzwerk: www.whistleblower-net.de
Die Elmer-Homepage: www.rudolfelmer.com

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