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Urteil mit Signalwirkung: Parlamentarische Kontrolle in Mecklenburg-Vorpommern gestärkt

Das Urteil des Landesverfassungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern kann für die öffentliche Aufarbeitung der Vorgänge rund um die Klimastiftung MV erhebliche Auswirkungen haben.

Schwerin, 26.01.2024

© Tingey Injury Law Firm / unsplash.com

Das Landesverfassungsgericht hat in zwei Entscheidungen vom 25. Januar 2024 festgestellt, dass die Landesregierung ihre verfassungsrechtliche Verpflichtung zur vollständigen Beantwortung parlamentarischer Anfragen nicht erfüllt hat. In der Sache ging es um die Beantwortung von Anfragen eines Landtagsabgeordneten zur Vorgeschichte und zur Gründung der „Stiftung Klima- und Umweltschutz Mecklenburg-Vorpommern“ sowie zur Kommunikation zu Asylverfahren.

Dazu erklärt Gerhard Bley, Leiter der Regionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern von Transparency Deutschland:

„Dieses Urteil ist von grundsätzlicher Bedeutung für die Transparenzpflicht der Landesregierung gegenüber dem Parlament. Damit hat das Landesverfassungsgericht die Kontrolle der Landesregierung durch den Landtag gestärkt. Nur wenn die Landesregierung die ihr vorliegenden Informationen vollständig dokumentiert und an das Parlament aushändigt, kann das Parlament das Regierungshandeln wirklich kontrollieren. Bisher hat sich die Landesregierung dieser parlamentarischen Kontrolle zu oft durch unvollständige Auskünfte zu entziehen versucht.

Mit Blick auf die Vorgänge rund um die Klimastiftung MV lässt das Urteil hoffen, dass mit Hilfe von parlamentarischen Anfragen nun deutlich mehr Informationen ans Licht der Öffentlichkeit kommen.

Denn das Landesverfassungsgericht hat der Landesregierung eine klare Ansage erteilt. Laut Landesverfassungsgericht bestimmt nicht allein die „Veraktung“ von Vorgängen durch die Landesregierung und die übrige Landesverwaltung den Umfang der Auskunftspflicht, sondern auch all das in der Landesregierung bisher nicht dokumentierte oder sonst nicht erfasste Wissen ist offenzulegen.“

Hintergrund

In seinem Urteil in dem Verfahren LVerfG 6/22, welches Informationen zur Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern betraf, hat das Landesverfassungsgericht gestellt:

Art. 40 Abs. 1 LV M-V verpflichtet die Landesregierung zur umfassenden Beantwortung von Fragen der Abgeordneten nach bestem Wissen, unverzüglich und vollständig. Dazu hat die Landesregierung auf sämtliche ihr zur Verfügung stehende Informationsquellen zurückzugreifen. Ein Ausblenden bestimmter Erkenntnisse, die mangels Aktenrelevanz oder aus anderen Gründen nicht in den Verwaltungsvorgängen enthalten sind, ist mit diesen Vorgaben unvereinbar. Die im Bereich der Regierung vorhandenen Informationen sind nicht auf die Gesamtheit der vorhandenen Dokumente beschränkt, sondern umfassen auch das persönliche, nicht aktenkundige Wissen der handelnden Personen. Sind bei den persönlich befassten Mitgliedern der Landesregierung oder Beschäftigten der Landesverwaltung noch vom Gegenstand der parlamentarischen Anfrage erfasste, bisher nicht dokumentierte und in die Verwaltungsvorgänge aufgenommene Erkenntnisse vorhanden, ist die Landesregierung auch insoweit zur Rekonstruktion und Offenlegung verpflichtet. Die Beschränkung der Recherche auf die elektronischen Akten ist unzureichend.

Nach der Argumentation der Landesregierung in dieser Angelegenheit würde diese letztlich durch den in ihrer Entscheidung liegenden Umfang der Dokumentation von Vorgängen entscheiden, wieweit das parlamentarische Fragerecht und die parlamentarische Kontrolle reicht. Die Landesregierung würde damit letztlich die parlamentarische Kontrolle durch den Landtag kontrollieren können.

Das Urteil muss auch Auswirkungen haben auf den Umfang und die Sicherung der Dokumentation der Kommunikation innerhalb der Landesregierung und der Landesregierung mit Dritten. Da eine Dokumentation und „Veraktung“ auch in elektronischen Aktenverwaltungssystemen nicht maßgeblich ist für den Umfang der Auskunftspflicht der Landesregierung gegenüber dem Parlament, müssen Gespräche auch auf höchster Ebene der Landesregierung dokumentiert werden. Auch E-Mail-Kommunikation auf der höchsten Ebene der Landesregierung darf zum Beispiel nicht gelöscht, sondern muss gesichert werden. Denn nur so kann die Landesregierung ihre Pflicht auf umfassende Auskunft gegenüber Mitgliedern des Landtags erfüllen. Eine verfassungskonforme Information des Landtags darf nicht dem persönlichen Erinnerungsvermögen von Mitgliedern der Landesregierung oder der Landesverwaltung überlassen bleiben.

Darüber hinaus ist die Entscheidung wichtig für die Information der Öffentlichkeit über die Vorgeschichte und die Umstände der Gründung der Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern. Denn die dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss vorliegenden Unterlagen sind nicht öffentlich. Zwar sind viele Details in den letzten zwei Jahren in der Presse bekannt geworden. Doch teilweise war dies erst im Wege von Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz und dem Pressegesetz möglich oder es musste mit gerichtlichen Entscheidungen die Herausgabe von Informationen erzwungen werden.

Daher sind Antworten der Landesregierung auf parlamentarische Anfragen, die in der Parlamentsdatenbank des Landtages veröffentlicht sind, ein wichtiger Weg, damit sich die Öffentlichkeit ein eigenes Urteil bilden kann.

In dem Verfahren LVerfG 6/22 ging es um eine Vielzahl von Informationen zur Vorgeschichte und zur Gründung der Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern. Es ist zu hoffen, dass nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Antwort der Anfrage des Landtagsabgeordneten erfolgt und mit der Veröffentlichung der Antwort auch für die Öffentlichkeit mehr Licht ins Dunkel um die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern kommt.

Kontakt

Gerhard Bley, Leiter der Regionalgruppe Mecklenburg-Vorpommern
Adrian Nennich, Pressesprecher
presse@transparency.de / rg-mv@transparency.de
030 54 98 98 15