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Pressemitteilung Gesundheitswesen

Transparency Deutschland fordert umfassende Korruptionsbekämpfung bei Kassen der Gesetzlichen Krankenversicherung

Berlin, 10.10.2016

Transparency International Deutschland e. V. erwartet von Justiz und Politik, dass der Missbrauch öffentlicher Ressourcen im Rahmen des Wettbewerbs zwischen den Kassen um falsche Diagnosen und höhere Risikostrukturausgleichzahlungen unterbunden wird. In einem am 9. Oktober erschienen Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung machte der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse Dr. Jens Baas deutlich, dass von den Kassen laufend „manipuliert“ werde und dass das „Milliarden“ koste. Er bekannte, dass es unter Krankenkassen üblich sei, Ärzten Geld dafür zu bieten, damit diese die Krankheiten ihrer Patienten schlimmer darstellen als sie sind.

Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland und Arzt Wolfgang Wodarg sagt dazu: „Krankenkassen bestechen Ärzte, um sich Vorteile aus dem Gesundheitsfond zu verschaffen. Im Kassenwettbewerb werden die Krankheiten der Versicherten offenbar sekundär. Solche Auswüchse des Kassenwettbewerbs sind krank und müssen behandelt werden!“

Bundestransparenzregister für alle Verträge

Transparency Deutschland nimmt mögliche Korruption bei Kassen und anderen Körperschaften des Gesundheitswesens unter die Lupe. Tausende von Selektivverträgen, Integrationsverträgen, Rabattverträgen und Verträgen mit Rechenzentren und anderen Dienstleistern führen nicht nur zu Interessenkonflikten, sie sind auch weitestgehend intransparent. Transparency Deutschland fordert deshalb, dass alle Verträge und Absprachen aller Kassen und ihrer Vertragspartner in einem Bundestransparenzregister öffentlich einsehbar sein müssen.

Korruptionsprävention auf die Agenda

Der GKV-Spitzenverband wurde von Transparency Deutschland im Sommer aufgefordert, sich im European Healthcare Fraud and Corruption Network (EHFCN) gegen Korruption zu engagieren – der Verband lehnte dies im Juli noch schriftlich ab. In diesem Zusammenhang betonte der Vorstandsvertreter des Verbands Gernot Kiefer, dass man „bei der Aufgabe, Betrug und Korruption im Gesundheitswesen zu bekämpfen hoch motiviert und engagiert“ sei. Die kriminellen Machenschaften der von ihm vertretenen Mitgliedskassen hatte er offenbar nicht als Problem gesehen.

Wolfgang Wodarg: „Die GKV-Kassen richten zwar Stellen ein, mit denen das Fehlverhalten im Gesundheitswesen beobachtet wird; doch wer beobachtet ein mögliches Fehlverhalten der Krankenkassen?“

Aufsichtsbehörden und Politik sind in der Pflicht

Die Doppelstruktur von bundes- und landesrechtlicher Aufsicht über die gesetzlichen Krankenkassen ist unübersichtlich gegliedert – es fehlt die nötige Transparenz. Das Bundesversicherungsamt hat nur einen sehr lückenhaften Einblick und viel zu wenig Möglichkeiten angesichts der Menge von Verträgen. Die für einige Kassen ausschließlich zuständigen Landes-Aufsichtsbehörden sind ebenfalls nicht in der Lage, die Kassen hinreichend zu prüfen. Der Gesetzgeber muss jetzt tätig werden und strukturelle Fehlanreize und Interessenkonflikte beseitigen.

Das Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ finden Sie hier.

Kontakt

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Vorstandsmitglied

Dr. Anna-Maija Mertens
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