Aktuelles
Pressemitteilung Wirtschaft

Transparency befürchtet Rückschlag für Korruptionsbekämpfung: Der unerlässliche Schutz von Arbeitnehmerdaten muss mit notwendigen Präventionsmaßnahmen und Kontrollmöglichkeiten ausbalanciert werden

30.06.2009

Berlin, 30.06.2009 - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. warnt vor der Einschränkung angemessener Antikorruptionsmaßnahmen. Die Große Koalition will mit einer am 23. Juni 2009 per Änderungsantrag vorgelegten Einfügung in die seit Monaten beratene Datenschutznovelle noch vor dem Ende der Legislaturperiode auf die öffentliche Diskussion über Massenscreenings in Unternehmen reagieren. Der geplante neue § 32 Abs. 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) soll die "Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses" hinsichtlich strafbaren Verhaltens von Beschäftigten auf Situationen beschränken, in denen "tatsächliche Anhaltspunkte zur Aufdeckung von im Beschäftigungsverhältnis begangenen Straftaten" vorliegen.

Sylvia Schenk, Vorsitzende von Transparency International Deutschland: "Datenschutz ist ein hohes Gut. Wir haben Massenscreenings aufgrund der fehlenden Verhältnis- und Zweckmäßigkeit immer abgelehnt. Auch im Hinblick auf ein vertrauensvolles Klima im Betrieb, das kriminellen Handlungen entgegenwirken kann, ist ein sorgsamer Umgang mit Daten nötig, ebenso wie die Einbeziehung des Betriebsrates bei Kontrollmaßnahmen. Auf keinen Fall kann aber akzeptiert werden, dass jetzt in einem Parforceritt eine unausgegorene Regelung durchgepeitscht wird, die die Unsicherheit bei Beschäftigten und Unternehmen weiter erhöht, anstatt Klarheit zu schaffen."

Transparency befürchtet, dass angesichts des vorgeschlagenen Wortlautes künftig nur noch Kontrollen zulässig sind, die sich bereits auf einen Anfangsverdacht im strafrechtlichen Sinne stützen können. Für die den Unternehmen mit zunehmend verschärften Haftungsvorschriften auferlegten präventiven Maßnahmen und Kontrollen bliebe wenig Raum.

Auch der Grundsatz 240 der "International anerkannten Grundsätze zur Abschlussprüfung (ISA)" sieht eingeschränkte Prüfungsverfahren vor, die ohne das Vorliegen von tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat durchgeführt werden sollen und somit in Widerspruch zu der angestrebten Neufassung des § 32 Abs. 1 BDSG stehen. Wörtlich heißt es:

- Performing a computerized match of the vendor list with a list of employees to identify matches of addresses or phone numbers.
- Performing a computerized search of payroll records to identify duplicate adresses, employee identification or taxing authority numbers or bank accounts.

Es stellt sich die Frage, ob künftig in Deutschland international empfohlene Verfahren überhaupt noch umgesetzt werden können und was dies insbesondere für die Korruptionsbekämpfung bedeutet.

Sylvia Schenk: "Wenn die Unternehmen aus Angst vor Verstößen gegen die neue Regelung auf bislang anerkannte Vorgehensweisen verzichten, wäre dies ein Rückschlag für die Eindämmung der Korruption. Es muss eine angemessene Balance zwischen Arbeitnehmerdatenschutz und Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität gefunden und eine entsprechende gesetzliche Regelung zuvor mit den Experten umfassend diskutiert werden."
 
Am morgigen Mittwoch, den 01.07.2009, wird die Verschärfung des BDSG im Innenausschuss des Deutschen Bundestages beraten. Am Freitag, den 03.07.2009, steht der Vorschlag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages. Gestern war gemeldet worden, dass sich die Große Koalition auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt habe.

Maßvolle und effektive Korruptionsbekämpfung ist im Interesse der gesetzestreuen Beschäftigten, die ebenfalls die Folgen spüren, wenn durch Korruption und andere Delikte die Basis ihres Unternehmens gefährdet wird. Um einen Betrieb zu schützen, können beispielsweise über einen "Gefährdungsatlas" die Risikoanfälligkeit verschiedener Abteilungen und Funktionen für Korruption dargestellt und auf dieser Grundlage gezielt Maßnahmen der Prävention und Kontrolle eingeleitet werden.

Kontakt

Sylvia Schenk, Vorsitzende
Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer
Transparency International Deutschland e.V.
Tel.: 030/ 54 98 98 0