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Pressemitteilung Verwaltung

TI Deutschland fordert rasche Verabschiedung des Informationsfreiheitsgesetzes - Abgeordnete von SPD und Grünen gegen Verschiebung

24.04.2002

Deutschland ist das rückständigste aller großen Industrieländer, wenn es um den Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Verwaltungsinformationen geht. Fast überall außer bei uns gilt in den staatlichen Verwaltungen das "Öffentlichkeitsprinzip": Verwaltungshandeln ist grundsätzlich öffentlich, jede Person hat Zugang zu allen Informationen, nur bei besonders sensiblen Bereichen kann es Geheimhaltung geben. In Schweden gibt es dieses Recht seit 1766, es hat sogar Verfassungsrang.

In Deutschland hatten Bündnis 90 / Die Grünen im vorigen Bundestag den Entwurf eines "Informationsfreiheitsgesetzes" eingebracht, um auch hier die Möglichkeit zu schaffen, das Verwaltungshandeln aus der Abgeschlossenheit der Amtsstuben herauszuheben und für den Bürger durchschaubar zu machen. Der Entwurf scheiterte: In der letzten Sitzung vor den Wahlen wurde er vom Bundestag mit Mehrheit abgelehnt. Allerdings: Die SPD stimmte nicht dagegen, sondern enthielt sich; sie war im Prinzip dafür, wollte aber einige Änderungen.

Deshalb kam das Projekt in die Koalitionsvereinbarung. Beide Parteien wollten einen gemeinsamen Entwurf einbringen. Aber nun wurden die Weichen falsch gestellt. Nicht die Fraktionen arbeiteten einen Entwurf aus, sondern das die staatliche Verwaltung par excellence verkörpernde Innenministerium - obwohl es doch um ein Gesetz geht, das die Position des Bürgers gegen die Verwaltung stärken soll.

Im Innenministerium geriet der Entwurf zwischen die bürokratischen Mühlräder. Er musste mit allen anderen Ministerien abgestimmt werden, und so kamen Einwände, die den Entwurf bis jetzt stoppen und zu entschärfen drohen. Vor wenigen Tagen wurde entschieden: In dieser Legislaturperiode ist es nicht mehr zu schaffen. Zu unterschiedlich sind die Auffassungen.

In letzter Minute haben sich Abgeordnete aus beiden Koalitionsparteien zusammengetan, um das Gesetz doch noch durchzubringen. Am Donnerstag wollen sie sich mit Vertretern der Ministerien treffen, um die Hindernisse abzubauen und dieses Gesetz, das für eine funktionierende Bürgergesellschaft so wichtig ist, nicht ein zweites Mal scheitern zu lassen. In vier Bundesländern gibt es bereits Informationsfreiheitsgesetze - nun soll auch die Bundesebene dazu kommen.

Was sind die Einwände der Ministerien? Das Wirtschaftsministerium möchte einen quasi grenzenlosen Geheimschutz für die Wirtschaft. Gerade besonders korruptionsrelevante Beschaffungsvorgänge wären dann im Zweifel von der Akteneinsicht ausgeschlossen. Das Verteidigungsministerium möchte seinen Arbeitsbereich komplett vor Einsichtnahme bewahren - obwohl klar ist, dass auch dort das Beschaffungswesen stark korruptionsgefährdet ist. Das Finanzministerium möchte, dass "fiskalische Interessen des Bundes nicht beeinträchtigt werden" - obwohl es bei der Korruptionsbekämpfung doch gerade darum geht, die fiskalischen Interessen des Bundes zu schützen. Schließlich möchte der Finanzminister kostendeckende Gebühren ? für ein Bürgerrecht. Wird er demnächst auch kostendeckende Gebühren fürs Wählen fordern? Kosten dürfen nicht so hoch sein, dass sie den Zugang zu Verwaltungsinformationen blockieren. Im Bereich der politischen Mitwirkung sollte überhaupt auf Gebühren verzichtet werden. Und selbst die bestehenden Kostengesetze zwingen keinesfalls zur Kostendeckung.

Das Recht der Bürger auf diese Information hat Verfassungsrang und Geheimschutz für Behörden gilt nur, soweit sonst ihre Aufgabenerfüllung gefährdet wäre. Die Einwände zeigen also ein fragwürdiges Verfassungsverständnis und die geringe Bereitschaft, die Behördentätigkeit so zu modernisieren, dass der Korruption vorgebeugt werden kann.

Transparency International wünscht, dass die Initiative der Abgeordneten nun endlich zu einem Informationsfreiheitsgesetz auch in Deutschland führt, das Vorgänge nur geheim lässt, soweit sie wirklich geheim bleiben müssen. Die Geheimhaltung von Verwaltungsvorgängen ist ein Einfallstor für Korruption und Vetternwirtschaft. Transparenz ermöglicht der Bürgerschaft, solchen Vorgängen auf die Spur zu kommen. TI hält es für unbedingt erforderlich, diesen Gesetzentwurf noch vor der Bundestagswahl zu verabschieden.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Reinold E. Thiel, Tel. 069 - 750 143 65.

Dagmar Schröder, Tel.: 030 - 54 98 98 0

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