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Pressemitteilung Sicherheit

Nationale Sicherheitsstrategie: Kein großer Wurf für die Korruptionsbekämpfung

Bundesregierung scheint sich der Gefahr „strategischer Korruption“ für die nationale Sicherheit noch immer nicht ausreichend bewusst zu sein

Berlin, 15.06.2023

Die Bundesregierung hat gestern ihre erste Nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt. Das Papier soll ein Wegweiser sein, wie Deutschland künftig seine Sicherheit gewährleisten will. Unter dem Konzept der „integrierten Sicherheit“ versucht die Regierung, alle Ministerien in die Pflicht zu nehmen, ihren Beitrag für die nationale Sicherheit zu leisten.

Allerdings fehlt jegliche explizite Erwähnung der Gefahren der Korruption für die Sicherheit Deutschlands. Stattdessen wird Korruption im engeren Sinn lediglich in Drittstaaten und im Zusammenhang mit Entwicklungspolitik thematisiert. Dies steht im starken Kontrast zum G7-Partner USA. Dort wurde das Thema durch das Weiße Haus zur „Chefsache“ deklariert, Korruptionsbekämpfung 2022 in der Nationalen Sicherheitsstrategie explizit als Priorität der Sicherheitspolitik genannt und bereits 2021 eine umfassende Antikorruptionsstrategie vorgelegt. Deutschland sollte den Anspruch haben, eine ähnliche Vorreiterrolle in der Korruptionsbekämpfung einzunehmen.

Dazu Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency Deutschland:

„Bei der Korruptionsbekämpfung greift die Sicherheitsstrategie leider zu kurz. Das Kind wird nicht beim Namen genannt. Zwar erkennt die Bundesregierung den dringenden Handlungsbedarf gegen hybride Bedrohungen, geht jedoch nicht explizit auf strategische Korruption ein. Dies ist überraschend, zumal im Kommuniqué der Staats- und Regierungschefs der G7 letztes Jahr während der deutschen G7-Präsidentschaft auf die Bedrohung von Kleptokratien für unsere Freiheit und nationale Sicherheit hingewiesen und ein verstärkter Kampf gegen Korruption vereinbart wurde. Wir müssen die nötigen Lehren aus der Aserbaidschan-Affäre, Katargate oder der Einflussnahme Russlands in Deutschland ziehen. Es ist unabdingbar, dass die angekündigte „Strategie zur Steigerung unserer Handlungsfähigkeit gegenüber hybriden Bedrohungen“ insbesondere strategische Korruption berücksichtigt. Außerdem braucht es eine umfassende nationale Antikorruptionsstrategie.“

Positiv ist, dass die nationale Sicherheitsstrategie ausdrücklich auf Geldwäsche als Gefahr für die nationale Sicherheit eingeht und einige konkretere Maßnahmen skizziert. Um ihre Macht und ihren Reichtum zu erhalten bzw. auszubauen, sind Kleptokratien und die Organisierte Kriminalität davon abhängig, ihre Erlöse aus Korruption und anderen Verbrechen zu waschen und auf dem globalen Finanzmarkt investieren zu können. Das passiert insbesondere auch in Deutschland, nach Schätzung der Bundesregierung in einer Größenordnung von rund 100 Milliarden Euro im Jahr.

Dazu Alexandra Herzog:

„Es ist zu begrüßen, dass die Bundesregierung das Sicherheitsrisiko von Geldwäsche erkennt und entschieden dagegen vorgehen will. Es wird auf eine konsequente Umsetzung ankommen, damit Deutschland der Sprung vom Geldwäsche-Paradies zum Kleptokraten-Albtraum gelingt. Nur wenn tatsächlich Transparenz über das wirtschaftliche Eigentum hergestellt, die Beweislastumkehr für inkriminierte Vermögen eingeführt und die Aufsicht über die Verpflichteten im Nichtfinanzbereich bundeseinheitlich koordiniert und durchgesetzt wird, wird Deutschland in der Lage sein, dem unzulässigen Einfluss autoritärer Staaten und der Organisierten Kriminalität entgegenzuwirken und die demokratische Widerstandsfähigkeit zu stärken.“

Hintergrund

Die Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hatte sich im Koalitionsvertrag im Herbst 2021 auf die Erstellung einer Nationalen Sicherheitsstrategie geeinigt. Kurz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der Ankündigung einer Zeitenwende durch Bundeskanzler Olaf Scholz startete Bundesaußenministerin Annalena Baerbock mit einer Rede Mitte März 2022 offiziell die Entwicklung der Nationalen Sicherheitsstrategie.

Transparency Deutschland hat konkrete Vorschläge zur Nationalen Sicherheitsstrategie im Gespräch mit Vertretern des Auswärtigen Amtes eingebracht und in zwei Gastbeiträgen auf der Plattform „49Security – Impulse für die Nationale Sicherheitsstrategie” des Global Public Policy Institute (GPPi) dargelegt.

Definition von „Strategische Korruption“

Unter strategischer Korruption versteht Transparency Deutschland die Nutzung von Korruption als außenpolitische Waffe. Diese Form der Korruption ist auf strategische, langfristige Einflussnahme ausgelegt und ein wesentlicher Bestandteil des nichtmilitärischen Arsenals moderner Kriege („hybride Kriegsführung“).

Sie stellt eine unmittelbare Gefahr für die nationale Sicherheit dar, da sie die Souveränität des betroffenen Staates und das Vertrauen der Bevölkerung in dessen Institutionen untergräbt. Deutschland ist, neben den USA und den Europäischen Institutionen, eines der Hauptziele dieser Form der Korruption durch autokratische Staaten, da es das wirtschaftliche Kraftzentrum Europas ist und einen erheblichen Einfluss innerhalb der Europäischen Union ausübt.

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