Lobbyregister: Reformentwurf verfehlt Ziel der Transparenz
Berlin, 19.09.2023
Anlässlich der Anhörung im Deutschen Bundestag fordert die „Allianz für Lobbytransparenz“ wesentliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf zur Reform des Lobbyregisters. Das Ziel, für eine größere Transparenz zu sorgen, wird klar verfehlt. Vor allem fehlt eine praktikable Regelung zur Nachvollziehbarkeit politischer Entscheidungen (sogenannter "exekutiver Fußabdruck"). Zudem sind auch künftig nicht alle Interessenvertreter:innen zur Registrierung verpflichtet. Mit Blick auf die Offenlegung von Spenden bedeutet der Entwurf de facto sogar einen Rückschritt.
Beibehaltung der Ausnahmen verschärft unfaire Ungleichbehandlung
Dazu erklärt Michael Henning, der den Verband der Chemischen Industrie (VCI) bei der Anhörung vertritt:
„Die weitreichenden pauschalen Ausnahmen für wichtige Interessengruppen wie Gewerkschaften, Kirchen oder Arbeitgeberverbände widersprechen dem Gesetzesziel. Vor allem führen sie letztlich zu einer erheblichen Ungleichbehandlung und Wettbewerbsverzerrung zu Lasten transparenter Interessenvertreter:innen.“
Koalition auf der falschen Fußspur unterwegs
Norman Loeckel, der für Transparency Deutschland als Sachverständiger an der heutigen Anhörung teilnimmt, sagt:
„Die Koalition verfolgt mit ihrem Entwurf den falschen Ansatz. Politik und Verwaltung müssten in der Gesetzesbegründung dokumentieren, mit welchen Inhalten sich Interessenvertreter:innen an der Gesetzgebung beteiligt haben. Nur sie sind in der Lage, einheitliche Standards und damit vertrauenswürdige Inhalte zu gewährleisten.“
Die geplante Form der Dokumentationspflicht von Stellungnahmen für Interessenvertreter:innen gefährdet aus Sicht der Allianz sogar die Akzeptanz des Registers. Statt größerer Transparenz schafft sie neue Umgehungsmöglichkeiten und erzeugt gleichzeitig unnötige Kosten. Stattdessen sollte das ebenfalls im Koalitionsvertrag vorgesehene Online-Konsultationsverfahren über eine Schnittstelle mit dem Lobbyregister verzahnt werden. Dies würde den gleiche Inhalt, weniger Bürokratie und mehr Transparenz gewährleisten, weshalb dieser Lösungsvorschlag auch von 66 weiteren Organisationen unterstützt wird. Hier ist die Koalition in der Bringschuld, nicht die Interessenvertreter:innen.
Rückschritte bei Spendentransparenz
Ein weiterer kritischer Punkt ist die geplante Regelung bezüglich der Offenlegung von Spender:innen an Lobbyorganisationen. Es ist zwar ein Fortschritt, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, Spendenangaben zu verweigern. Allerdings wird dieser durch die Erhöhung des Schwellwertes auf 10 Prozent der Spendeneinnahmen konterkariert. Nach Schätzungen könnten fast 99 Prozent der bisherigen Spendenangaben entfallen. Große Organisationen mit Großspendern wären damit von der Offenlegungspflicht ausgenommen. Die Herkunft von finanziellen Mitteln sollte aus Sicht der Allianz immer transparent sein. Ausnahmen sind in Einzelfällen für Privatpersonen denkbar. Sie sollten aber nicht für Organisationen oder Unternehmen gelten.
Digitales De-Briefing zur Anhörung
Transparency Deutschland lädt Sie herzlich ein zu einem digitalen De-Briefing. Es findet heute um 14 Uhr direkt im Anschluss an die Anhörung statt.
Nach einem zusammenfassenden Rückblick von Norman Loeckel, der als Vertreter von Transparency Deutschland zur Anhörung eingeladen ist, besprechen wir die Ergebnisse mit:
- Bruno Hönel, MdB, Bündnis 90/Die Grünen
- Michael Henning, Verband der Chemischen Industrie (VCI) e.V.
- Sarah Schönewolf, abgeordnetenwatch.de
- Moderation: Dr. Anna-Maija Mertens, Transparency International Deutschland e.V.
Weiterführende Informationen
Die Partner der „Allianz für Lobbytransparenz“ setzen sich gemeinsam für Fairness, Offenheit, Transparenz und Integrität in der politischen Interessenvertretung ein. Beteiligt sind Transparency Deutschland und der Verband der Chemischen Industrie als ursprüngliche Initiatoren und Koordinatoren der Allianz, der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sowie Die Familienunternehmer als Mitglieder der Allianz sowie PHINEO, der Bankenverband und der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften als Partner der Allianz. Gemeinsame Grundlage ist das 2019 veröffentlichte Eckpunktepapier.
Zur Webseite der Allianz für Lobbytransparenz
Kontakt
Transparency International Deutschland e.V.
Adrian Nennich, Pressesprecher
presse@transparency.de
030 54 98 98 15
Verband der Chemischen Industrie e.V.
Monika von Zedlitz, Pressesprecherin
presse@vci.de
Tel. 069 - 25 56 14 73
Verbraucherzentrale Bundesverband
Franka Kühn, Pressesprecherin
presse@vzbv.de
Tel. 030 - 258 00 - 525 | Mobil: 0160 - 388 97 12
DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V.
Birte Siedenburg, Pressesprecherin
siedenburg@familienunternehmer.eu
Tel. 030 - 300 65 - 441
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
Alexander Mihm, Pressesprecher
BDI-Presseteam@bdi.eu
Tel.: 030 - 20 28 14 50
Bundesverband Deutscher Banken e.V.
Thomas Schlüter, Director Pressesprecher
thomas.schlueter@bdb.de
Tel.: 030 1663-1230
Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e.V.
Amid Jabbour, Leiter politische Beziehungen
jabbour@bvkap.de
Tel.: 030 306 982 27
Phineo gAG
Juliane Werlitz, Pressesprecherin
Juliane.werlitz@phineo.org
Tel.: 030 520 065 376