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Korruption: Sensibilisierung von Ärzt:innen muss verpflichtend werden

Aufruf zum Internationalen Antikorruptionstag 2022 von Transparency Deutschland, MEZIS und leitlinienwatch.de

Berlin, 09.12.2022

© istock.com / Mirexon

Anlässlich des Internationalen Antikorruptionstags 2022 rufen Transparency Deutschland, MEZIS und leitlinienwatch.de dazu auf, dass medizinische Fachgesellschaften, medizinische Fakultäten der Universitäten und Ärztekammern verpflichtende Aufklärungsveranstaltungen zu „Korruption im Gesundheitswesen“ einführen.

Den meisten Ärzt:innen ist nicht bewusst, wie stark sie von der Industrie beeinflusst sind, wenn sie medizinische Geräte anwenden oder Medikamente verschreiben. Im Studium werden künftige Mediziner:innen nicht darauf vorbereitet, welche Folgen u.a. Interessenkonflikte, Befangenheit, Sponsoring und Datenhoheit haben können. Kooperationen und Kontakte mit Herstellern von Geräten und Arzneimitteln sind fachlich notwendig. Diese Firmen sind meist profitorientiert handelnde Akteure. Deshalb müssen Ärzt:innen vorbereitet werden, ihnen kritisch-distanziert entgegentreten zu können.

Der Medizinische Fakultätentag hat im Juni 2022 ausführlich begründet, weshalb es unter anderem Lehrveranstaltungen zum Themenkomplex „Transparenz und Umgang mit Interessenkonflikten an den medizinischen Fakultäten" geben sollte. In einer gemeinsamen Stellungnahme im März 2022 hatten leitlinienwatch.de, Transparency Deutschland und MEZIS bereits gefordert, die Ärzt:innen für das umfangreiche Beeinflussungs-Repertoire der Konzerne zu sensibilisieren.

Unter „Korruption“ versteht man landläufig die direkte Bestechung oder Vorteilsgewährung. Zahlreiche namhafte Pharmafirmen sind genau dafür in den USA wiederholt angeklagt worden. In Deutschland gibt es solche aufsehenerregenden Prozesse bisher nicht. Aber immer wieder fallen einzelne Mediziner:innen wegen sehr hoher Honorarzahlungen aus der Industrie auf.

Ärzt:innen kommen in ihrem Berufsleben täglich mit dieser Problematik in Kontakt, denn sie

  • verschreiben Medikamente und wenden Geräte an, deren Studiendaten nicht vollständig veröffentlicht sind.
  • werden von Pharma-Referent:innen beeinflusst und setzen deren Muster ein.
  • nehmen an Industrie-gesponserten Veranstaltungen und Kongressen teil.
  • führen von Firmen bezahlte Studien, Anwendungsbeobachtungen oder Patientenbefragungen durch.
  • werden bezahlt für Industrie-finanzierte Vorträge, Beratungen oder Artikel.
  • lesen Fachzeitschriften, die weitgehend durch Anzeigen der Industrie finanziert werden.
  • sind Mitglied in Industrie-gesponserten Mediziner-Vereinigungen.
  • orientieren sich an Behandlungs-Leitlinien, an denen eine Vielzahl von Expert:innen mit Interessenkonflikten beteiligt sind.

Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass direkte und indirekte Industriekontakte das Verschreibungsverhalten und Urteilsvermögen zugunsten einzelner Medikamente, Geräte oder Firmen beeinflussen. Finanzielle Beziehungen verhindern, dass kritische Themen angesprochen werden, zum Beispiel Preisgestaltung, eine unzulängliche Studienlage oder Scheininnovationen.

Ärzt:innen können nur dann Medikamente und Geräte verantwortungsvoll anwenden, wenn ihnen das gesamte Beeinflussungs-Repertoire bewusst ist und sie gelernt haben, damit umzugehen. Patient:innen können nur dann den behandelnden Ärzt:innen vertrauen, wenn sie sich auf deren Unabhängigkeit verlassen können.

Kontakt

Transparency Deutschland
Rolf Blaga
RBlaga@transparency.de
+49 30 61 28 30 90 

MEZIS
Dr. med. Niklas Schurig
schurig@mezis.de
+49 7222 33538

leitlinienwatch.de
Prof. Dr. med. Thomas Lempert
Thomas.Lempert@schlosspark-klinik.de
+49 30 32641151