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Offener Brief: Dringender Handlungsbedarf bei Sportwetten-Werbung!

Berlin, 06.12.2023

Anlässlich der Innenminister-Konferenz hat sich Transparency Deutschland heute gemeinsam mit den weiteren Mitgliedern des Bündnisses gegen Sportwetten-Werbung mit einem dringenden Appell an die Innenminister:innen der Bundesländer gewandt.

Das im März 2022 gegründete Bündnis gegen Sportwetten-Werbung (BgSwW) setzt sich für die weitestgehende Einschränkung von Sportwetten-Werbung ein. Andere europäische Länder sind hier bereits deutlich weiter. Auch in Deutschland müssen die nötigen politische Entscheidungen getroffen werden. Die beteiligten Institutionen im Sport müssen ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. Unabhängige Forschung und Prävention müssen gestärkt werden.

Verantwortungslose Sportwetten-Werbung relativiert nicht nur das Sucht-Risiko von Sportwetten, sondern auch die weiteren damit verbundenen Gefahren. Spielmanipulationen und Korruption in diesem Zusammenhang kommen oftmals durch Kontakte in die Sportwetten-Szene zustande oder sind Ergebnis der Erpressbarkeit wegen Wettschulden. Die Prävention von Glücksspielsucht und der Manipulation von Wettbewerben gehören zusammen. Die Einschränkung der Sportwetten-Werbung hilft, ehrliche Ergebnisse im Fußball zu sichern.


Offener Brief

An die Innenministerinnen und -minister und
die Senatorin und Senatoren für Inneres
der Bundesländer

6. Dezember 2023

Dringender Handlungsbedarf bei Sportwetten-Werbung!

Sehr geehrte Innenministerinnen und -minister,
sehr geehrte Senatorin und Senatoren für Inneres
der Bundesländer,

wir, die Mitglieder des im März 2022 gegründeten Bündnisses gegen Sportwetten-Werbung, wenden uns heute mit einem dringenden Appell an Sie:

Ergreifen Sie zeitnah gesetzgeberische Maßnahmen, um die ausufernde Sportwetten-Werbung deutlich einzuschränken!

Die bisherigen Werberegelungen des GlüStV 2021 sind in sich nicht konsistent, werden nur teilweise eingehalten und entsprechen vorrangig den Interessen der finanzstarken Sportwetten-Anbieter, der Werbewirtschaft, der Profiligen, des DFB sowie der DFL. Vernachlässigt wird dagegen der Schutz von insbesondere jungen Sportvereinsmitgliedern, die oft besonders anfällig für Sportwetten sind, sowie der meist ebenfalls noch jungen Fans. Auch die Interessen von aktuell und ehemalig von Glücksspielsucht Betroffenen und deren Angehörigen kommen deutlich zu kurz. Kritische Stimmen von Fans, Fanorganisationen, Forschungsinstituten, Suchthilfe und Suchtselbsthilfe finden zwar in den Medien, aber nicht bei der Politik Gehör. Auch die Bevölkerung fühlt sich einer Umfrage zufolge inzwischen stark belästigt von der ausufernden Werbung in den Stadien, im TV und im Internet und spricht sich für ein generelles Werbeverbot für Glücksspiele aus.

Die Begründung zu unserem Appell im Einzelnen:

1. Die bisherigen Regelungen sind inkonsistent

Während für virtuelles Automatenspiel, Casinospiele und Poker nur zwischen 21 Uhr und 6 Uhr geworben werden darf, gibt es für Sportwetten keine zeitliche Einschränkung. Diese Sonderstellung ist nicht ansatzweise nachvollziehbar und fachlich nicht begründbar. Das Risiko einer Glücksspielsucht im Bereich Sportwetten (und hier vor allem Live-Wetten) ist nicht geringer als bei den oben genannten anderen Glücksspielformen, sondern eher noch größer, da gezielt junge sportaffine Menschen angesprochen werden. Daher sollten für Sportwetten mindestens dieselben Werberestriktionen gelten wie für die anderen Online-Glücksspiele.

2. Die bisherigen Regelungen werden nicht eingehalten

Es gibt zahlreiche Regelübertretungen. Diese zeigten sich beispielsweise bei Mönchengladbach, die einen illegalen Wettanbieter als Sponsor hatten oder bei Werbespots von Tipico, in denen sich der Anbieter nicht nur auf Dachmarkenwerbung beschränkte, sondern zur sofortigen Spielteilnahme aufforderte („Jetzt Wette platzieren“).

3. Die bisherigen Regelungen entsprechen vorrangig den Interessen der finanzstarken Glücksspiel- Anbieter, der Werbewirtschaft, der Fußballvereine, des DFB und der DFL

Schätzungen zufolge macht die Sportwetten-Branche in Deutschland jährlich einen Umsatz zwischen acht und neun Milliarden Euro. Eine Zahl, die nicht nur Kassen klingeln lässt. Derartig hohe Umsätze verleihen Macht und wecken offensichtlich den Wunsch nach immer mehr. Nach dem Motto „mit Geld kauft man Verbündete, mit viel Geld kauft man mehr Verbündete“ hat man inzwischen fast alle Vereine der Profiligen, den DFB und die DFL durch großzügige Sponsoring- und Werbeverträge an sich gebunden. Man kauft dabei nicht nur potenzielle Verbündete, man erschließt sich auch einen großen Markt für das eigene Produkt. Fußballbegeisterte junge Männer sind die ideale Zielgruppe für Sportwettfirmen. Sie sind in der Regel über lange Jahre an den Lieblingsverein gebunden und identifizieren sich mit ihm, was sich vielfach auch auf die Produkte der Sponsoren überträgt. Schließlich werden dem Verein dadurch Handlungsspielräume (Kauf teurer Spieler etc.) ermöglicht. Ziel aller Werbemaßnahmen scheint die Normalisierung des gewinnträchtigen, aber hoch riskanten Produktes Sportwette zu sein. Unberücksichtigt bleibt zwangsläufig die Kehrseite der Medaille: die hohe Suchtgefahr, die von Sportwetten ausgeht. Sie wird entweder nicht erwähnt oder gezielt kleingeredet.

Wir fordern daher, in einem ersten Schritt die Rahmenbedingungen für Sportwetten-Werbung sowohl an ähnlich suchtpotente Glücksspiele wie virtuelles Automatenspiel, Poker etc. als auch an vergleichbare gesundheitsgefährdende Güter, wie z.B. Tabak, anzupassen:

a) Sportwetten-Werbung in TV und Internet darf erst nach 21 Uhr gesendet werden, das gilt auch für Sponsoring,

b) Sportwetten-Werbung muss raus aus den Stadien, das gilt auch für Sponsoring.

In einem zweiten Schritt sollte den Vorschlägen unseres Bündnisses, der Suchtverbände und des Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen entsprechend

c) die werbefreie Zeit für sämtliche Glücksspielprodukte auf die Zeit zwischen 6 Uhr und 23 Uhr ausgeweitet werden. Diese Maßnahme würde gleichzeitig dem Jugendschutz dienen. Der geltende GlüStV schreibt vor, dass sich Werbung „nicht an Minderjährige oder vergleichbar gefährdete Zielgruppen richten darf“. Auch aus diesem Grund wurden „werbefreie Zeiten“ definiert.

In einem dritten Schritt sollte

d) die Glücksspiel-Werbung im Stadion, im TV, im Radio und im Internet gänzlich untersagt bzw. auf den so genannten „Point of Sale“ beschränkt werden.

Abschließend möchten wir darauf hinweisen, dass Deutschlands liberaler Weg stark abweicht von dem Weg anderer europäischer Länder, in denen Glücksspiel-Werbung inzwischen zunehmend stark reguliert oder verboten wurde bzw. entsprechende Maßnahmen konkret geplant sind.

Sehr geehrte Ministerinnen und Minister,
sehr geehrte Senatorin,
sehr geehrte Senatoren!

Wir bitten Sie eindringlich, den § 5 des GlüStV 2021 entsprechend der oben genannten Vorschläge stufenweise anzupassen und somit die Prävention der Glücksspielsucht entscheidend zu verbessern.

Wir sind sehr gern bereit, offene Fragen in einem gemeinsamen Gespräch mit Ihnen zu diskutieren und freuen uns über eine entsprechende Einladung.

Mit freundlichen Grüßen

Die Mitglieder des Bündnisses gegen Sportwetten-Werbung

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