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Ein Internationaler Antikorruptionstag wie kein anderer

Ein Kommentar von Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency Deutschland

Berlin, 09.12.2020

Das Jahr 2020 ist seit Bestehen von Transparency International und weit darüber hinaus mit keinem anderen Jahr vergleichbar. Und das in jeder Hinsicht – auch im Hinblick auf die Antikorruptionsarbeit.

Die Corona-Krise überlagert seit fast einem Jahr weltweit sämtliche politische Aktivitäten und beeinträchtigt persönliche wie berufliche Kontakte. Die Pandemie hat unser gesellschaftliches Leben verändert, allerdings leider nicht das Korruptionsgeschehen weltweit verringert. Corona ist vielmehr selbst in einiger Hinsicht zum Korruptionsrisiko geworden. Sei es nun bei der Verteilung der Hilfsgelder in Milliardenhöhe oder bei der staatlichen Subventionierung bei der Impfstoffherstellung. Häufig fehlt es unter dem Motto „Not kennt kein Gebot“ an transparenten und rechtsstaatlich unbedenklichen Entscheidungswegen. Wir haben bereits im Mai dieses Jahres mit einem Papier auf diese Gefahren hingewiesen und Korruptionsprävention auch in Corona-Zeiten gefordert. Wir müssen und werden weiter darauf achten, dass zumindest Mindeststandards an Transparenz und Rechtsstaatlichkeit gewahrt werden.

Corona hat auch ungewollte „positive“ Auswirkungen, wie das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindustrie zeigt. Nach zähen Verhandlungen innerhalb der Regierungsfraktionen und vergeblichen Versuchen der Fleischlobby, das Gesetz zu verhindern, sollen ab Januar Werkverträge und Leiharbeit in der Fleischindustrie verboten werden. Das intensive Wegsehen staatlicher Behörden und politischer Entscheidungsträger hat lange dazu beigetragen, dass in unserem Land solche Arbeits- und Ausbeutungsverhältnisse entstehen konnten und diese organisierte Verantwortungslosigkeit Bestand hatte. Es reicht nicht aus, im Ausland mehr Bewusstsein für die Achtung der Menschenrechte, Umweltstandards und Korruptionsrisiken in der Lieferkette zu fordern – das Problem haben wir vor unserer eigenen Haustür.

Institutionelle Korruption gedeiht besonders gut, wo Lobbyisten wie in Deutschland intransparent und ohne gesetzliche Bindungen Einfluss auf politischer Entscheidungsträger nehmen können. Transparency Deutschland kämpft deshalb seit Jahren in einer Allianz mit großen Wirtschafts- und Verbraucher-und Naturschutzverbänden für ein gesetzliches Lobbyregister. Ein legislativer Fußabdruck soll dafür sorgen, dass transparent nachverfolgt werden kann, wer, wann, wie und wo Einfluss auf Gesetze oder politische Entscheidungen genommen hat. Der Fall Amthor hat gezeigt, dass es im Unterschied zu anderen Ländern bei uns großen Nachholbedarf an Transparenz gibt.

Ohne Menschen, die bereit sind auch unter Inkaufnahme persönlicher Risiken auf Missstände in Unternehmen oder Behörden hinzuweisen, ist ein aktiver Kampf gegen Korruption weithin unmöglich. Auch in diesem Bereich hinkt Deutschland im internationalen Maßstab weit hinterher. Einen effektiven Schutz von Hinweisgebern gibt es bisher nicht. Eine EU-Richtlinie verpflichtet nun auch Deutschland zu einer gesetzlichen Regelung. Ähnlich wie beim Lobbyregister scheitert eine effektive Regelung am Koalitionskrach. Auch hier bleiben wir dran, wie bei der Einführung eines Unternehmensstrafrechts, das diesen Namen verdient. Das kommende Jahr wird uns deshalb mindestens so fordern, wie das Corona-Jahr 2020.

Die Gesellschaft darf sicher sein, dass wir unsere Wächterfunktion auch im Jahr 2021 wahrnehmen.

Hartmut Bäumer
Vorsitzender Transparency International Deutschland e.V.

Die Meldung wurde erstellt von am 09.12.2020.