Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung der Korruption
Berlin, 16.11.2023
Transparency Deutschland begrüßt die von der EU-Kommission vorgeschlagene Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption grundsätzlich und fordert den Deutschen Bundestag sowie die Bundesregierung dazu auf, den Vorschlag zu unterstützen.
Die Europäische Kommission hat am 3. Mai 2023 einen Entwurf für eine Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption vorgelegt. Hierzu fand am 13. November 2023 eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschuss statt, an der Dr. Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency Deutschland, als Sachverständige teilnahm.
Der Richtlinienentwurf sieht eine Reihe von Maßnahmen vor, u.a. eine Gleichstellung von Amts- und Mandatsträgern, was eine Verschärfung des Straftatbestands § 108e StGB zur Folge hätte. Im Hinblick auf die Mandatsträgerbestechung fordert Transparency Deutschland:
1. Durch Schaffung eines neuen § 108f StGB sollen zukünftig auch außerparlamentarisch und nicht lediglich parlamentarisch (§ 108e „bei der Wahrnehmung des Mandats“) begangene Handlungen des Mandatsträgers erfasst werden.
2. Das Tatbestandsmerkmal des § 108e StGB „im Auftrag oder auf Weisung“ sollte gestrichen werden, da die Initiative zur Korruption auch vom Mandatsträger ausgehen kann, so dass das von diesem Tatbestandsmerkmal zwischen Vorteilsgeber und Mandatsträger vorausgesetzte „Über-Unterordnungsverhältnis“ nicht besteht.
3. Die 2021 erfolgte Hochstufung des § 108e StGB zum Verbrechen begegnet Bedenken, da auch bei dieser Form von Korruption Fälle denkbar sind, bei denen die Verhängung einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr (bzw. bei einem minder schweren Fall von mindestens sechs Monaten) als nicht schuldangemessen erscheint (fehlende Verhältnismäßigkeit). Um der Gefahr vorzubeugen, dass die Oberlandesgerichte aus diesem Grund zu Freisprüchen tendieren, sollte die Möglichkeit der Erledigung eines „minder schweren Falls“ mittels eines Strafbefehlverfahrens geschaffen werden.
4. Die Frage, ob die Annahme eines Vorteils „ungerechtfertigt“ ist bzw. „eine Verletzung der Pflichten des Mandatsträgers“ darstellt, kann nicht allein mit Hilfe der parlamentarischen und kommunalen Verhaltensregeln (Leitlinien, Ehrenkodizes u.ä.) beantwortet werden, da bezogen auf die kommunale Ebene längst nicht alle Gemeinden derartige Verhaltensregeln besitzen und auch in absehbarer Zukunft nicht besitzen werden. Des Weiteren würde die wünschenswerte Einbeziehung der (erstmaligen) Bewerber um ein Mandat in den Regelungsbereich des neuen § 108e StGB hierdurch verunmöglicht, da diese den Verhaltensregeln erst dann unterworfen sind, wenn sie den Abgeordnetenstatus erreicht haben.
5. Die Strafbarkeit der kommunalen Mandatsträger ist in einem neu zu schaffenden § 108g StGB zu regeln.
6. § 108e StGB sowie die neuen §§ 108f, 108g sollten (entsprechend §§ 332, 334 StGB) auf Vorteile erstreckt werden, die erst nach der vorgenommenen bzw. unterlassenen korruptiven Handlung gewährt worden sind.
7. Bewerber um ein parlamentarisches oder kommunales Mandat sollten in den Regelungsbereich der neuen Vorschrift einbezogen werden. Die Neuregelungen von Abgeordnetengesetz und Verhaltensregeln der Fraktionen könnten als Vorbild für die Einbeziehung von solchen Bewerbern dienen.