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Pressemitteilung Sport

Transparency-Studie zu Sextortion im Sport – Machtmissbrauch zur Erlangung von Sex stark verbreitet

Berlin, 23.05.2022

„Sextortion“, also der Missbrauch von Macht und Einfluss zur Erlangung sexueller Vorteile, ist im internationalen und nationalen Sport stark verbreitet. Das geht aus der heute veröffentlichten Studie „ON YOUR MARKS, SET... STOP! Understanding and ending sextortion in sport“ von Transparency International hervor. Die Studie fasst Forschungsergebnisse und Fallbeispiele aus der ganzen Welt mit besonderen Schwerpunkten in Zimbabwe, Mexiko, Rumänien und Deutschland zusammen.

Sie können die Studie hier herunterladen.

Die Studie zeigt: Jede Sportart und jedes Land kann von dieser besonderen Form sexuellen Missbrauchs betroffen sein. Hierarchische Strukturen in Sportvereinen und -verbänden, Abhängigkeiten, fehlende Kontrollen sowie eine in stark männlich dominierten Umgebungen gewachsene Kultur gehören zu den entscheidenden Ursachen. Mit der Vorlage der Studie ruft Transparency International Regierungen und Sportorganisationen weltweit zu verstärktem Handeln gegen alle Formen sexuellen Missbrauchs im Sport auf.

Wenig Prävention, kaum Kontrollen: Die Defizite der Sportorganisationen

Die Studie zeigt deutliche Schwachstellen in den Strukturen der Sportorganisationen auf. Viele haben es versäumt, angemessene interne Maßnahmen zur Prävention und Aufdeckung sowie effektive Meldemechanismen für sexualisierte Gewalt zu entwickeln. Sportorganisationen sind meist nicht in der Lage, Missbrauch zu untersuchen, da sie nicht über ausreichende Ressourcen und Fachkenntnisse verfügen. Zudem fehlt es vielfach an der Unabhängigkeit eingesetzter Ermittler.

Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency Deutschland:

„Abhängigkeiten von Trainern sowie der Mangel an Kontrolle und Verantwortlichkeit auf allen Ebenen der Sportorganisationen machen insbesondere die Athletinnen und Athleten verwundbar. Während wir derzeit mit Spannung die French Open verfolgen, sollten wir auch an diejenigen Spielerinnen denken, die sexuell missbraucht wurden. Das gilt für die Chinesin Peng Shuai, deren angeblicher Missbrauch durch einen hochrangigen Regierungsbeamten totgeschwiegen wird, und die US-Amerikanerin Kylie McKenzie, die keine Chance mehr hat, an Wettkämpfen teilzunehmen, nachdem sie von ihrem vom Verband beauftragten Trainer über lange Zeit belästigt und missbraucht wurde. Entscheidend ist es, Abhängigkeiten aufzubrechen und Machtmissbrauch von vorneherein zu verhindern. Viel zu viele leiden an den Folgen eines sexistischen und einschüchternden Systems."

Benötigt werden effektive Meldesysteme und unabhängige Untersuchungen

Marie Chêne, Leiterin der Forschungsabteilung von Transparency International:

„Es ist an der Zeit, die Kultur des Schweigens und der Straffreiheit für alle Formen des Missbrauchs im Sport zu ändern. Sportorganisationen, Regierungen und die Zivilgesellschaft müssen den Missbrauch ernst nehmen, um Sextortion zu stoppen. Die Bekämpfung von Sexismus und die Förderung der Beteiligung von Athletinnen und Athleten an allen wichtigen Entscheidungen und in der Führung sind von entscheidender Bedeutung.“

Konkret nötig sind konsequente Präventionsmaßnahmen sowie umfangreiche Aufklärung über Sextortion und anderen sexuellen Missbrauch. Frauen und diskriminierte Gruppen sollten bewusst gefördert werden, um männlich dominierte Machtstrukturen zu durchbrechen. Transparency fordert außerdem wirksame Meldesysteme, unabhängige Untersuchungen und klare Sanktionsregelungen für Sextortion auf allen Ebenen. Die Regierungen müssen die Sportorganisationen diesbezüglich stärker als bisher in den Blick nehmen und finanzielle Anreize zur Umsetzung dieser Maßnahmen setzen.

Sextortion in Deutschland: Angst vor Ausschluss von der Förderung – Missbrauch durch Jugendtrainer

Vor dem Stuttgarter Landgericht muss sich aktuell ein ehemaliger Handball-Jugendtrainer verantworten. Er hat zugegeben, jahrelang ihm anvertraute Kinder und Jugendliche missbraucht zu haben. Es geht um 567 Fälle. Der Mann soll seine Position als Vertrauensperson und als Trainer ausgenutzt, hingegen keine körperliche Gewalt ausgeübt haben. Die meisten seiner Opfer hätten Angst gehabt, nicht mehr von ihm gefördert zu werden. Ein Fall von Sextortion, der allerdings noch nicht Gegenstand der Studie war.

Für Deutschland stellt die Transparency-Studie besonders eine Umfrage unter Spitzensportlerinnen und -sportlern heraus, wonach rund ein Drittel von ihnen mindestens eine Situation sexualisierter Gewalt im organisierten Sport erlebt hat. 11 Prozent sprachen sogar von einer „schweren Form“ sexualisierter Gewalt. Athletinnen waren deutlich häufiger betroffen. Aus anderen Ländern werden ähnliche Zahlen gemeldet – bei mutmaßlich hoher Dunkelziffer. In Frankreich bilanzierte das Sportministerium in diesem Zusammenhang als Folge von Aussagen von Athletinnen und Athleten 60 Anklagen und 100 Suspendierungen von Trainern, Lehrern und anderen Funktionsträgern wegen Missbrauch bzw. dessen Vertuschung – aus insgesamt 48 Sport-Organisationen.

Zum Begriff „Sextortion“: Spezifischer Machtmissbrauch 

Zwar steht nicht jede geschlechtsspezifische Gewalt im Sport in Zusammenhang mit Sextortion, doch in vielen dieser Missbrauchsfälle geht es um Autoritätspersonen wie z.B. Trainer, die sexuelle Gefälligkeiten für die Unterzeichnung eines Vertrages mit einem Verein, die Aufnahme in einen Auswahlkader oder die Bereitstellung eines Stipendiums fordern.

Digitale Veranstaltung „Ending Sextortion in Sport“

Die Ergebnisse der Studie werden am morgigen Dienstag, den 24. März 2022, um 14 Uhr mit führenden Expertinnen und Experten im Rahmen einer digitalen Veranstaltung diskutiert. Weiterführende Informationen und das Anmeldeformular finden Sie hier.

Kontakt

Sylvia Schenk
Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency Deutschland

Adrian Nennich
Pressesprecher von Transparency Deutschland

+49 30 54 98 98 15
presse@transparency.de

Hinweis zur Finanzierung der Studie

Die Studie „ON YOUR MARKS, SET... STOP! Understanding and ending sextortion in sport“ von Transparency International wurde von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit finanziert.

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