Publikationen
Rezension

Pinzler, Petra: Der UNfreie Handel. Die heimliche Herrschaft von Konzernen und Kanzleien

Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg, 2015; 287 S. 13,40 €

Dass Handelsabkommen für nur wenige eine Feierabendlektüre sind, darf man annehmen. Da kommt das Buch von Petra Pinzler denen gerade recht, die schon oft dachten „Ich muss mich jetzt über Handelsabkommen schlau machen.“ Die Wirt­schafts- und Politik­wissen­schaft­lerin, renommierte Wirtschaftsjournalistin der ZEIT und Journalismus-Preis­trägerin behan­delt das Thema Freihandel in einem Taschenbuch umfassend von vielen verschiede­nen Blickwinkeln. Für diese Herkules-Aufgabe hat sie sich ein ganzes Jahr vom jour­na­lis­ti­schen Tagesgeschäft entfernt und sich am Berliner Wissenschaftszentrum gänzlich dem Studium der neuen Generation von Investitions- und Handels­abkommen gewidmet.

Pinzler bettet Abkommen wie TTIP, CETA, TTP und TiSA in den histo­rischen Kontext des Welthandels und der herkömmlichen Wirtschaftstheorien ein und stellt sie den Spielregeln des Europäischen Binnenmarkts gegen­über. Ihre Betrachtungen  sind nicht nur auf Inhalte und Auswirkungen der Abkommen beschränkt, son­dern beziehen auch deren Entste­hungs­prozess mit ein. Sie diskutiert die Prog­nosen für Wachstum und Arbeits­plätze, mit denen solche Abkommen begründet werden, und entlarvt die Schwä­chen der zugrunde liegenden Modelle. Die lähmenden Effekte der regulatorischen Kooperation und von Investor-Staat-Schiedsgerichten auf die Politik beschreibt sie anhand von realen Beispielen. Sie diskutiert auch die Problematik der demokratischen Legitimation der Ent­scheidungen über die Abkom­men und deren An­wendung. Auch analysiert sie die Rolle internationaler Organisationen wie zum Beispiel der Vereinten Nationen oder der Internationalen Arbeitsorganisation analysiert sie mit und stellt die kritische Frage, welchen Einfluss diese neuartigen Abkommen auf die brennenden globalen Probleme wie etwa den Klimawandel haben werden. Die Schiedsgerichte lässt sie natürlich auch nicht aus und geht auf die Frage ein, ob und wie man sie reformieren sollte. 

Gespräche mit zahlreichen Expertinnen und Experten und Werkanalysen von Völkerrechtlern, internatio­nalen Juristen, Politikwissen­schaft­lern, Verfassungs­juristen und –richtern, Athropologen und Globalisierungsforschern haben zu diesem Buch beigetragen. Die Autorin bekennt sich zu den Vorteilen internationalen Handels und steht zu ihrem Ja zu früheren Handels­abkommen. Nach dieser interdiszi­plinär fundierten Betrachtung kommt sie zu einem sehr kritischen Schluss – ja, zu einer War­nung vor den neuartigen Abkommen.

Das Buch ist auch für Laien verdauliche Lektüre und kann als ein Lehrbuch über internatio­nale Investitionen und Handel gesehen werden. Aber auch für Kenner bietet es neue Sichtweisen.

Helena Peltonen-Gassmann

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