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„Donald Trump ist ein Symptom für viel größere Defizite bei der Korruptionsbekämpfung in den USA“

© Photo: Unsplash / Harold Mendoza

Anfang 2020 hat Transparency International in Washington ein neues Verbindungsbüro eröffnet. Wir haben für die 88. Ausgabe des Scheinwerfer mit dessen Leiter Gary Kalman gesprochen.

Interview: Jonathan Peters

Woran arbeiten Sie gerade?

Wir konzentrieren unsere Arbeit auf die Rolle der USA bei den weltweiten Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung. Dazu gehören verschiedene Dinge, einschließlich der Änderung unserer eigenen Gesetze. Wir beschäftigen uns zum Beispiel damit, US-Delegationen in multilateralen Foren dazu zu bewegen, sich stärker für die Korruptionsbekämpfung einzusetzen, etwa bei Veranstaltungen wie den G7- oder G20-Gipfeln. Konkret arbeiten wir besonders intensiv zum Thema Transparenz von „beneficial ownership“, da es in unserem Land weltweit am einfachsten ist, ein anonymes Unternehmen zu gründen.

Die Vereinigten Staaten gelten seit langem als einer der Orte, an dem Kriminelle ihr Vermögen anonym parken können, und rangieren im Financial Secrecy Index 2020 des Tax Justice Network weltweit auf Platz zwei. Wie beurteilen Sie die Rolle der USA im Hinblick auf internationale illegale Finanzströme und Geldwäsche?

Die USA befinden sich auf einem bedenklichen Weg dahin, die weltweite Nummer eins in Sachen Illicit Financial Flows zu werden. Das ist ein riesiges Problem. Bei einer Studie der Universität von Texas wurde einem Firmengründungsagenten ein Angebot mit dubiosem Geld zur Gründung einer Firma vorgeschlagen. Er antwortete, dass er nicht wissen müsse, woher das Geld stamme, aber weil es sich riskant anhöre, verlange er 5.000 Dollar im Monat für seine Dienstleistungen. Das zeigt, mit welchem Selbstverständnis die Leute agieren. Sie können sich sicher fühlen, dass Ihnen im Nachhinein nichts nachgewiesen werden kann. Das können wir nicht zulassen! Die Menschen nehmen dies nicht länger hin und zum ersten Mal seit geraumer Zeit setzen sie sich für Transparenz im Bereich „beneficial ownership“ und eine Überarbeitung unserer Geldwäschebestimmungen ein. Es gibt dazu einen Gesetzentwurf, der hoffentlich bis zum Ende des Jahres durch den Senat geht und der auch einen großen Unterschied machen würde, aber dennoch haben wir einen langen Weg vor uns.

Mit wem arbeiten Sie dazu zusammen?

Wir sind an einer Reihe von Koalitionen beteiligt. Das US-Büro von Transparency International ist unter anderem Mitglied der FACT Coalition zu Fragen von „beneficial ownership“ und Transparenz. Wir sind auch Teil der Make It Safe Coalition, die sich zur Stärkung des Schutzes von Whistleblowern einsetzt. Zudem sind wir an der Corporate Form Coalition beteiligt, die sich für eine größere Offenlegung der multinationalen Unternehmen in zahlreichen Punkten einsetzt.

Im Kontext von Covid-19 spricht die US-Senatorin Elisabeth Warren von staatlich sanktioniertem privatem Profit und Korruption. Sie hat dazu den CORE ACT-Gesetzentwurf vorgelegt, den Sie begrüßt haben. Was sind die wichtigsten Lehren aus der Perspektive der Korruptionsbekämpfung und Transparenz in Bezug auf die aktuelle Krise?

In der Tat beeinflusst der Gesetzesvorschlag unsere Arbeit. Wir haben diesen Entwurf genutzt, um die Menschen darüber aufzuklären, dass es aktuell noch wichtiger ist, sich bewusst zu machen, dass Gelder fehlgeleitet oder gestohlen werden. Wir haben hier in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt bereits zahlreiche Beispiele gesehen, bei denen führende Politiker Gelder missbrauchen, die zur Bekämpfung der Pandemie bereitgestellt wurden. Geld, das entweder in die Hände von begünstigten Auftragnehmern gelangt, oder aber von Betrügern, die Geld für etwas bekommen, das sie im Nachhinein nicht liefern. Uns ist zum Beispiel ein Fall bekannt, in dem ein 55-Millionen-Dollar-Auftrag für Masken und Ausrüstung, bestimmt für das Gesundheitswesen, an ein Unternehmen ging, das noch nie etwas hergestellt hat, das keine Mitarbeiter hat und das 2018 kurz vor dem Bankrott stand. Wie sie den Auftrag bekommen haben, ist für uns unbegreiflich. Das sind Vorkommnisse, die tatsächlich Leben gekostet haben.

Wenn wir über Korruption in den USA sprechen, kann man Donald Trump nicht außen vor lassen. Das traditionelle System der „checks and balances“ erlebt eine Belastungsprobe. Wie ist Ihre Meinung zum Amtsenthebungsverfahren und zu den zahlreichen angeblichen Fällen von Korruption und Machtmissbrauch unter der gegenwärtigen Regierung?

Ich denke, dass die Missbräuche in den Verwaltungen zweifellos Anlass zur Sorge geben. Einiges von dem, was wir gesehen haben, ist äußerst alarmierend. Zum Beispiel Lücken in unseren Gesetzen, die es den Verwaltungen erlauben, Dinge zu tun, die nicht angemessen sind. Dennoch lässt sich erkennen, dass die Menschen allmählich realisieren, dass wir Reformen brauchen, um sicherzustellen, dass „checks and balances“ vorhanden sind. Wir sollten zudem die strukturellen Veränderungen nicht aus den Augen verlieren, die wir vornehmen müssen, und die über diesen Präsidenten hinausgehen werden. Die aktuelle Regierung spricht häufig davon, dass auch die Regierung Obama so gehandelt und damals niemand etwas gesagt habe. Viele solcher Behauptungen sind übertrieben, aber eben nicht alle, und dann stellt sich die Frage: Wenn das unter früheren Regierungen passiert ist, wie konnte es passieren und welche Veränderungen müssen wir vornehmen, damit es nicht wieder passiert? Meiner Meinung nach ist Donald Trump ein Symptom für viel größere Defizite bei der Korruptionsbekämpfung in den USA.

Im November wird in den USA gewählt. Wie bewerten Sie die Rolle einer fortschreitenden Digitalisierung für den Ausgang der Wahl, speziell, wenn man an die Einflussnahme bei der letzten Wahl denkt?

Ich denke, dass sowohl die Republikaner als auch die Demokraten Maßnahmen in diesem Bereich zustimmen, um die Integrität unserer Wahlen zu schützen. Offensichtlich ist die Beeinflussung der Wahlen von 2016 gut dokumentiert. Trotz einer laufenden Debatte sind sich die meisten Menschen einig, dass es sie gegeben hat. Ob sie nun glauben, dass die derzeitige Regierung aktiv daran beteiligt war oder nicht, ist weniger wichtig als die Tatsache, dass Schwachstellen in unserem System aufgedeckt wurden, die es zu beseitigen gilt. Es besteht in Hinblick auf die Digitalisierung offensichtlicher Grund zur Sorge, da wir gesehen haben, was passieren kann, wenn wir nicht wachsam sind.