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Der Beirat stellt sich vor: Ulrike Kaiser

Ein Interview mit Ulrike Kaiser

Ulrike Kaiser war von 1985 bis 2007 Chefredakteurin des Medienmagazins journalist, danach bis 2015 stellvertretende Bundesvorsitzende des DJV. Sie startete ihre berufliche Laufbahn 1970 bei der Rheinischen Post und arbeitete nach ihrem Studium der Diplom- Pädagogik als Bildungsreferentin im Deutschen Institut für publizistische Bildungsarbeit. Bis 2014 wirkte sie in verschiedenen Jurys und in der journalistischen Aus- und Weiterbildung mit. 2001 war sie Mitbegründerin der Initiative Qualität im Journalismus (IQ), die sie seit 2009 leitet. Seit 1987 ist Ulrike Kaiser Mitglied der Medienkommission der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, seit 2015 Vorsitzende des dortigen Ausschusses für Vielfalt und Partizipation.

Was motiviert Sie, sich im Beirat von Transparency Deutschland für Korruptionsbekämpfung zu engagieren?

Für mich ist Transparency eine Organisation, die die Gesellschaft offener, gerechter machen will und demokratische Prinzipien pflegt und fördert. Da lohnt sich Engagement, und ich habe mich gefreut, als Anke Martiny mir im Herbst eine Mitwirkung anbot. Zumal Journalismus und Transparency eine Gemeinsamkeit haben: undurchsichtige, möglicherweise korrupte Verhältnisse transparent machen und verändern.

Sie haben die Initiative Qualität im Journalismus (IQ) mitbegründet und leiten diese seit vielen Jahren. Inwiefern spielt das Thema Korruptionsprävention dabei eine Rolle?

Weniger als explizites Thema, denn als generelles Ziel. IQ fördert Qualität im Journalismus und Methoden der Qualitätssicherung. Zur Qualität gehört es, Transparenz durch Kritik und Kontrolle herzustellen sowie als Journalist/in und Medium selbst transparent zu sein. IQ setzt sich mit seinen Partnern aus Berufsverbänden, Wissenschaft, Bildungsarbeit und Medienkontrolle für Bedingungen ein, die beides ermöglichen. Dazu zählen: gute Aus- und Weiterbildung gerade in Sachen Recherche, vernünftige Arbeitsorganisation, ein rechtlicher Rahmen, der Recherchen ermöglicht und nicht behindert. Und ethische Standards, die Gefährdungen im eigenen Berufsumfeld beleuchten und abwehren.

Gelegentlich werden Vorwürfe erhoben, die Politik nehme zu großen Einfluss auf die Medien. Wie nehmen Sie dies als Mitglied der Medienkommission wahr?

Durchaus differenziert. „Die Politik“ – dazu zählen auch gewählte Parlamentarier, die eine gesetzliche Grundlage für die Medienkontrolle schaffen. Insofern übt die Legislative unbestreitbar Einfluss aus. Aber das ist in der Gewaltenteilung auch so vorgesehen. Wichtig ist, dass Politiker gerade im sensiblen Bereich der Medien und deren Staatsferne größtmögliche Zurückhaltung nicht nur gesetzlich festschreiben, sondern auch selbst üben. In der Medienkommission bilden gesellschaftliche Gruppen die Mehrheit. Die vom Parlament entsandten Mitglieder sind in der Minderheit; Regierungsvertreter, also die Exekutive, dürfen der Kommission gar nicht angehören. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem ZDF-Urteil gesorgt, dass der Parteieneinfluss abgebaut wird. Das ist gut so. Im Übrigen: Nicht uninteressant ist auch der Aspekt, welchen Einfluss Medienunternehmen auf „die Politik“ und ihre Entscheidungen ausüben …

In welchen Bereichen des Journalismus sehen Sie eine besonders große Gefahr der Einflussnahme durch Unternehmen, Verbände oder Politik?

Ich denke, Einflussversuche gehören im Journalismus generell zum Alltag. Funktionsträger/innen aus Politik, Wirtschaft oder Verbänden bis hin zum lokalen Sportverein möchten sich und ihre Botschaften positiv dargestellt sehen. Und sie versuchen, das zu erreichen – durch Öffentlichkeitsarbeit, durch Netzwerken, durch Druck. Journalisten müssen dafür sensibilisiert sein und Haltung bewahren. Allerdings sind Medien in der Regel selbst Wirtschaftsunternehmen und auf Erlöse angewiesen. Und in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit durch sinkende Werbe- und Verkaufseinnahmen wächst der Druck durch Inserenten oder Kooperationspartner. Kluge Geschäftsleute auf beiden Seiten überschreiten die Grenzen nicht – zum Schutz ihrer Glaubwürdigkeit. Doch nicht alle verhalten sich klug. Darüber hinaus müssen wir sehr aufpassen, dass sich die strukturelle Vermischung zwischen PR / Werbung und Journalismus nicht verstärkt. Wo PR aus- und Journalismus abgebaut wird, entstehen Schieflagen und steigt der Einfluss auf die Redaktionen. Zudem entstehen vor allem in sozialen Netzwerken neue Werbeformen, die als Journalismus daherkommen. Generell wirkt jeder Distanzverlust, jede Kumpanei wie ein Einflussmagnet – im Sport, in der Politik oder in der Wirtschaft. Hier für Transparenz zu sorgen ist Aufgabe eines kritischen Medienfachjournalismus. Der muss dringend ausgebaut werden. 

Die Fragen stellte Sylvia Schwab.