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Der Beirat stellt sich vor: Sascha Müller-Kraenner

„Eintreten für geltendes Umwelt-Recht“

Sascha Müller-Kraenner ist seit 2015 Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der heute 57-Jährige war zuvor für den Deutschen Naturschutzring, die Heinrich-Böll-Stiftung sowie die Umweltorganisation The Nature Conservancy tätig. Im Beirat von Transparency Deutschland sitzt er seit 2017.

Die DUH setzt sich für die Einhaltung von Umwelt- und Verbraucherschutz ein. Das tut sie seit Jahren sehr erfolgreich — auch vor Gericht. Aus konservativen Kreisen sah sich die DUH oft scharfer Kritik ausgesetzt, wurde als Abmahn- und Klageverein diskreditiert. Dabei wurde ihr auch mit dem Entzug der Gemeinnützigkeit gedroht.

Die lautstarke Kritik aus den Jahren 2017/18 an der DUH ist zuletzt etwas leiser geworden. Wie stellt sich die Lage für Sie dar?

Die DUH ist weiterhin für viele ein Rotes Tuch, weil wir sehr klar geltendes Recht für die Menschen einfordern. Und wir werden weiter sehr wachsam sein. Über die sozialen Medien machen unsere Gegner ungehindert weiter Stimmung und bedrohen uns. Aber man muss auch festhalten, dass die Attacken gegen uns durchaus orchestriert waren und uns die führende Staatspartei, die CDU/CSU, zwischenzeitlich zum Abschuss frei gegeben hatte. So sollte uns das Klagerecht sowie die Gemeinnützigkeit genommen werden und auch unsere Finanzierung wurde in Frage gestellt. Wir haben mittlerweile mit der CDU-Spitze geredet, an dem Punkt hat sich die Lage etwas beruhigt. Wir haben ja auch alle Verfahren juristisch gewonnen. Was die laufende Reform der Gemeinnützigkeit angeht bin ich sicher, dass wir nicht das Schicksal von attac erleiden und an unserer Gemeinnützigkeit nicht gerüttelt werden wird.

Klima- und Umweltpolitik hat viele Problemzonen. Was ist aus Ihrer Sicht die größte?

Viel dreht sich um die inhaltliche und personelle Nähe wichtiger Wirtschaftsbranchen zur Politik, zum Beispiel in den klima-relevanten Bereichen Agrar, Energie, Auto. Da bedarf es weitergehender und transparenter Karenzregelungen. Ehemalige Mandatsträger sitzen jetzt in den Wirtschafts-Verbänden und verfügen über einen exklusiven Zugang zu politischen Entscheidern. Die Wirtschaft zeigt sich ja durchaus dankbar und großzügig gegenüber der Politik, nicht nur durch Spenden. Wir hingegen versuchen oft vergeblich, einen Termin in einem Ministerium zu bekommen.

Welche inhaltlichen Schnittstellen gibt es zwischen Transparency und der DUH?

Es hat uns erstmal sehr gefreut, dass sich Transparency Deutschland in unserem Konflikt mit der CDU solidarisch hinter uns gestellt hat. Transparencys große Stärke ist es, Interessen-Verflechtungen zu dokumentieren und öffentlich zu machen. In unseren Tätigkeitsfeldern ist Korruption eine große Herausforderung. Weniger die direkte Geldzahlung, als das Schaffen indirekter Anreize durch die Wirtschaft für die Zeit nach einer politischen Laufbahn. Dort zu schärferen Regelungen zu kommen ist sicher ein gemeinsames Ziel von Transparency Deutschland und der DUH.

Wie wird sich die Corona-Pandemie auf Ihre Themen auswirken?

Corona wirkt da wie ein Brandbeschleuniger. Große Hilfspakete sind durchgedrückt worden unter mangelnder parlamentarischer Beteiligung. Davon profitieren zum Beispiel Großunternehmen aus dem Energiesektor und der Autoindustrie. Bestimmte Verbindungen haben sich da wohl rentiert. Wir müssen jetzt drauf achten, ob das Geld wirklich zurückgezahlt wird. Insgesamt werden staatliche Spielräume geringer und ich befürchte deshalb beispielsweise personelle und finanzielle Einsparungen bei Behörden, die Verbraucherschutz-Regelungen überwachen wie die Gewerbeaufsicht. Sollte dieser Kontrollbereich jetzt unter Corona geräuschlos reduziert werden, wäre das komfortabel für gewisse Politiker und profitabel für gewisse Unternehmen. Und ganz allgemein formuliert: Die Bundesregierung wird die Wirtschaft ankurbeln, koste es was es wolle. Der Klimaschutz dürfte da nur unter ferner liefen laufen.

Was wünscht sich der Beirat von Transparency für die Zukunft?

Eine ergebnisoffene Diskussion über das Nebeneinander von individuellen und korporativen Mitgliedern, zum Beispiel Unternehmen. Für eine zivilgesellschaftliche Organisation ergeben sich da aus meiner Sicht durchaus Widersprüche.

Die Fragen stellte Jochen Reinhardt.