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Der Beirat stellt sich vor: Michael Windfuhr

„Korruption verändert die rechtsstaatliche Achtung der Menschenrechte“

Michael Windfuhr ist seit 2011 stellvertretender Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte in Berlin. Zuvor hat er fast 20 Jahre lang die internationale Menschenrechtsorganisation FIAN (Food First Information and Action Network) mit aufgebaut und leitete einige Jahre das Menschenrechtsreferat beim Diakonischen Werk der EKD. 2016 wurde er für vier Jahre als Mitglied in den UN-Ausschuss für wirtschafliche, soziale und kulturelle Rechte gewählt. Seit 2017 gehört Michael Windfuhr dem Beirat von Transparency Deutschland an.

Interview: Adrian Nennich

Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist die unabhängige Nationale Menschenrechtsinstitution Deutschlands. Was ist ihr Auftrag? Und wie setzen Sie diesen um?

Der Auftrag nationaler Menschenrechtsinstitutionen ist der Schutz und die Förderung von Menschenrechten in dem und durch das Land, für das sie zuständig sind. 1993 wurden auf der Wiener Menschenrechtskonferenz alle Staaten aufgefordert, Menschenrechtsinstitutionen einzurichten und finanziell unabhängig auszustatten. Das Deutsche Institut für Menschenrechte wurde 2001 durch einen Beschluss des Bundestages gegründet und hat 2015 eine eigene gesetzliche Grundlage erhalten. Wir überwachen die Umsetzung der Menschenrechtskonventionen und machen Vorschläge, wie diese verbessert und innergesellschaftlich eine Kultur der Menschenrechte gefördert werden kann. Unser Institut schaut auch darauf, ob Deutschland seinen menschenrechtlichen Verpflichtungen im Ausland nachkommt — etwa bei der Durchführung von Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit, dem Einsatz der Bundeswehr oder der Achtung der Menschenrechte durch deutsche Unternehmen im Ausland.

Welche Rolle spielt Korruption bei Menschenrechtsverletzungen?

Menschenrechte benötigen einen funktionierenden Rechtsstaat. Korruption verändert die rechtsstaatliche Achtung der Menschenrechte vielfältig: Sie verhindert, dass Menschen einbezogen werden oder dass sie sich beschweren können, wenn staatliche Maßnahmen sie direkt betreffen — beispielsweise, wenn sie umgesiedelt werden sollen oder wenn Maßnahmen ihr Land oder ihr Trinkwasser verschmutzen. Staatliche Institutionen verlieren ihre Schutzfunktion für Schwache und Benachteiligte, wenn sie korrupt sind und nicht unabhängig im Sinne verantwortlicher Regierungsführung funktionieren. Daher sehen wir, dass die Menschenrechtssituation in Ländern mit starker Korruption oft von Willkür geprägt ist. Durch Korruption wird oft die Einhaltung von Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen umgangen, auch bei Zulieferern deutscher Unternehmen in globalisierten Lieferketten.

Im September 2019 hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das staatliche Textilsiegel „Grüner Knopf“ vorgestellt. Wie bewerten sie diese Initiative aus menschenrechtlicher Perspektive?

Die Durchsetzung von Arbeits- und Umweltschutzbestimmungen ist rechtsstaatlich und menschenrechtlich zunächst eine Verpflichtung für jeden Staat weltweit. Die menschenrechtlichen Verantwortlichkeiten von Unternehmen sind davon allerdings unabhängig gegeben, so sehen es die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte vor. Der grüne Knopf soll es Konsumenten leichter machen, bei der Kaufentscheidung auf Produkte von Unternehmen zurückzugreifen, die Arbeits- und Umweltstandards freiwillig beachten und dies in ihrer Lieferkette durchsetzen. Aber: Der Grüne Knopf ist auch deshalb vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung entwickelt worden, weil es bislang in der Großen Koalition keine Einigung auf ein Gesetz zur Einführung einer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen für Liefer- und Wertschöpfungsketten gibt. Dabei wäre eine gesetzliche Grundlage nicht nur menschenrechtlich begrüßenswert, sondern würde zu einem „level playing field“ beitragen und Rechtssicherheit schaffen. Ein Gesetz könnte mit dazu beitragen, mögliche negative Auswirkungen der schnellen und weitreichenden Globalisierung wieder politisch zu gestalten.