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Der Beirat stellt sich vor: Michael Böhnke

„Verantwortung ist nicht delegierbar“

© Prof. Dr. Michael Böhnke

Michael Böhnke, geboren 1955 in Ratingen, ist seit 2004 Universitätsprofessor für Systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal. Von 2005 bis 2009 war er Vizepräsident des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV), seit 2018 ist er Ethik-Beauftragter des Verbands. In zahlreichen Publikationen setzt er sich vor allem mit einer theologisch verantworteten Erneuerung der Kirche auseinander. Seit Januar 2019 ist Michael Böhnke Mitglied im Beirat von Transparency Deutschland.

Im Internet habe ich gelesen, dass Sie nach Ihrem Theologiestudium zunächst viele Jahre in der Luft- und Raumfahrttechnik tätig waren. Stimmt das?

Nein, das war leider nicht der Fall. Allerdings hat mein Sohn Daniel Luft- und Raumfahrttechnik studiert. Bei meiner Vorstellung in der Beiratssitzung Ende Januar habe ich das, glaube ich, erwähnt — und zwar mit der Bemerkung, dass wir seitdem augenzwinkernd darüber stritten, wer von uns beiden ‚closer to haven‘ sei.

Eines Ihrer zentralen Anliegen als Theologe ist die innerkirchliche Anerkennung der Menschenrechte. Können Sie die Problematik, die darin steckt, in kurzen Worten erläutern?

In der Tat. Die römisch-katholische Kirche hat die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte bis heute nicht vorbehaltlos anerkannt. Bis in die sechziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein hat sie sich sogar von den Menschenrechten distanziert. Seitdem fordert sie deren Anerkennung vor allem von Dritten. In Bezug auf sich selbst spricht sie lieber von Menschenwürde als von Menschenrechten. Das ist aber bei weitem zu wenig. Eine Gruppe von Theologinnen und Theologen in einem internationalen theologischen Netzwerk arbeitet hier an einer Neubesinnung. Ein Problemkomplex hat sich um das Verhältnis von Wahrheit und Freiheit herausgebildet. Kann durch kirchlichen Wahrheitsanspruch menschliche Freiheit eingeschränkt werden? Daneben stehen Fragen der Menschenrechtsbegründung und ihr universaler und unteilbarer Geltungsanspruch im Fokus der systematisch-theologischen Diskussion. Und nicht zuletzt werden auch Fragen im Blick auf die konkrete Struktur und hierarchische Verfasstheit der Kirche tangiert.

Ihr zuletzt erschienenes Buch fragt nach „Gottes Geist im Handeln der Menschen“. Was bedeutet es aus Ihrer Sicht, dass Menschen heute immer mehr danach streben, die Eigenverantwortlichkeit ihres Handelns dranzugeben und an die Instanz einer sogenannten Künstlichen Intelligenz zu delegieren?

Das ist eine schwierige Frage. Ich gehe von der Unvertretbarkeit verantwortlichen menschlichen Handelns aus. Freiheit ist Voraussetzung von Verantwortung. Verantwortung ist nicht delegierbar. Wenn ich das Buch „Gottes Geist im Handeln der Menschen“ genannt habe, will ich damit auch in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass Menschen freie Wesen sind, die ihre Lebensführung verantworten müssen. Ich denke, dass das Handeln der Leute, die sich für Transparency International engagieren, auch von einem bestimmten Geist geprägt ist. Für mich spiegelt dieser Geist die Annahme, dass Transparenz für ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben unerlässlich ist.

Wie kommt der Theologe zur Leichtathletik? Ist es der Sport gewesen, der Sie zum Thema Korruptionsbekämpfung und zum Beirat von Transparency geführt hat?

Von Kindesbeinen an bin ich auf Mittel- und Langstrecken laufend unterwegs gewesen und bin es noch heute. Es war dann ein besonderer Reiz, im Deutschen Leichtathletikverband von 2005 bis 2009 als Vizepräsident neben dem Senioren- und gesundheitsorientierten Sport auch Leitungsverantwortung für den Laufbereich zu übernehmen. 2018 habe ich die Aufgabe eines Ethik-Beauftragten im DLV übernommen. Zusätzlich teile ich mir mit Inga Serfort die Position eines/einer Beauftragten für die Prävention sexualisierter Gewalt. In beiden Bereichen stehen die Sportverbände vor großen Herausforderungen, die proaktiv in Angriff genommen werden müssen.

Anfang März habe ich auf Einladung von Sylvia Schenk an einer Sitzung der Arbeitsgruppe Sport von Transparency Deutschland teilgenommen. Transparency kann als Partner der Sportverbände dazu beitragen, in diesem mehrfach ausbeutungsgefährdeten Sektor unserer Zivilgesellschaft Korruptionsbekämpfung und die Entwicklung transparenter Verfahren voranzubringen. Transparency kann und sollte aber auch Partner der Kirchen sein. Institutionen brauchen den unabhängigen Blick und das Engagement ‚von außen‘.

Die Fragen stellte Heike Meyer.