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Der Beirat stellt sich vor: Lutz Hachmeister

Interview mit Lutz Hachmeister, Gründungsdirektor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik

Lutz Hachmeister ist seit 2005 Gründungsdirektor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik. Die Forschungs- und Beratungseinrichtung setzt sich theoretisch und empirisch mit der Medien- und Kommunikationspolitik auseinander. Er war unter anderem Journalist beim Tagesspiegel, Leiter des Grimme-Instituts und Chef des Internationalen Fernseh- und Filmfests Köln. Er zählt überdies zu den bekanntesten deutschen Dokumentarfilmern. Seit 2014 ist er Mitglied im Beirat von Transparency Deutschland. Hier spricht er über die Motivation für sein Engagement und die Transparenzbemühungen der öffentlich-rechtlichen Sender.

Was war Ihre Motivation, dem Beirat von Transparency Deutschland beizutreten?

Abgesehen von der Wertschätzung der Organisation an sich, bin ich seit einigen Jahren als Direktor des Instituts für Medien und Kommunikationspolitik, aber auch als Film- und Fernsehproduzent mit Fragen der Mittelverwendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, also auch mit der Transparenz der Budgetierung beschäftigt. Das ist ein außerordentlich komplexes Thema, und ich finde es wichtig, dass hier eine Koalition derjenigen zustande kommt, die für einen spannenden, der Gesellschaft verpflichteten Public Service einstehen wollen. Die Kernfrage lautet: Wie kann sicher gestellt werden, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio die Beitragszahlungen der Bürger auch für ihren Programmauftrag verwenden, für Investigation und Recherche, kulturelle und politische Information, international konkurrenzfähige Serien, intelligentes Entertainment. Paradoxerweise sind hier trotz strukturell steigenden Einnahmen die Budgets gekürzt worden. Das verlangt nach Aufklärung.

Welche Rolle spielen die Themen Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung bei Ihrem Forschungsschwerpunkt und in Ihrer täglichen Arbeit an Ihrem Institut?

Ich denke, dass es wichtig ist, für das Thema über spektakuläre Einzelfälle hinaus zu sensibilisieren, also nicht nur die Fernsehspielchefin, die unter Pseudonym Drehbücher schreibt, bestechliche Sportredakteure oder Schleichwerbung in Daily Soaps. Es gibt tiefer gehende Probleme in den Beziehungen zwischen Sendern und Produzenten, oder in der Geldverteilung auf einzelne Genres. Dafür gibt es bislang kein vernünftiges Monitoring. Auf der anderen Seite muss man eher naiven Vorstellungen entgegenwirken, dass alle publizistischen oder künstlerischen Gewerke bei Hörfunk und Fernsehen ausgeschrieben werden könnten. Dann käme kein zeitgemäßes Programm mehr zustande, sondern eine Erhöhung des bürokratischen Systems.

Wegen ihrer Intransparenz bei der Verwendung der Gebührengelder müssen sich die öffentlich-rechtlichen Sender starke Kritik gefallen lassen. Nur langsam beginnen die Sender gegenzusteuern. Reichen diese Transparenzinitiativen aus?

Nein. Es gibt bei ARD und ZDF in hohem Maße unterschiedliche Rechnungslegungen, die nur wenige Kundige decodieren können. Die Publikation von Zahlen ist ein erster Schritt, man bräuchte aber ein zureichendes Interpretationsmuster. Dafür reicht die bisherige „Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs“ nicht aus. Sie schreibt im Wesentlichen ihre alten Ansätze fort. Das mag zur Ermittlung der Höhe des Beitragssatzes ausreichen, sagt aber wenig über die Budgetverwendung im Konkreten; etwa wie viel wird für Sportrechte ausgeben, wie viel für Dokumentarfilme? Und mit welcher Begründung?

MDR, NDR und der Kinderkanal haben einen Verhaltenskodex erarbeiten lassen, der zukünftig zweifelhafte Auftragsvergaben und Intransparenz verhindern soll. Bringen solche Kodizes etwas?

Ein Verhaltenskodex ist immer gut, wenn er denn praktische Relevanz hat. Die Skandale der jüngeren Vergangenheit – siehe Kinderkanal – haben die Aufmerksamkeit in den Sendern für das Thema erhöht. Ich habe aber den Eindruck, dass die meisten Rundfunk- und Fernsehräte mit der Beurteilung der Programmleistung ihres Senders – auch im internationalen Vergleich – überfordert sind. Das Management kann sich zu leicht auf die berühmte Programmautonomie berufen. Man muss hier eine Debatte führen, die den Sendern ohne politische Gängelung mehr abverlangt.

Man bekommt gelegentlich den Eindruck, Medien berichten vor allem über Korruption in Wirtschaft, Politik oder im Gesundheitswesen. Wenn sie vor der eigenen Haustür kehren sollen, herrscht Schweigen. Stimmt der Eindruck?

Das ist sicher so. Es ist ja auch nicht angenehm. Journalisten und Medienmanager sehen sich gern als Herolde der Meinungsfreiheit, die über allen anderen Berufen und Gewerken schweben. Das ist natürlich eine egozentrische und weitgehend reflexionsfreie Selbstsicht. Deswegen ist unabhängige Medienkritik so wichtig, und zwar eine, die sich nicht nur in Geschmacksurteilen ergeht, sondern auch mit Daten und Fakten operieren kann.

Die Fragen stellten Maria Bramer und Anja Schöne.