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Pressemitteilung Hinweisgeberschutz

Transparency-Bericht vergleicht Regelungen zum Whistleblowerschutz in den EU-Mitgliedstaaten

05.11.2013

Künftige Regierung muss Handlungssicherheit für Whistleblower schaffen

Berlin, 05.11.2013 - Die internationale Antikorruptionsorganisation Transparency International hat heute den EU-Whistleblowerbericht in Berlin vorgestellt. Der Bericht beurteilt die rechtlichen Rahmenbedingungen für Whistleblower in 27 EU-Mitgliedstaaten. Nur vier Ländern wird ein guter Schutz von Whistleblowern bescheinigt: Großbritannien, Luxemburg, Rumänien und Slowenien. In Deutschland und weiteren 15 Ländern gibt es dagegen nur einen eingeschränkten Schutz. In sieben Ländern gibt es keinen oder nur sehr geringen Schutz.

Whistleblower begeben sich in Deutschland auf Glatteis

Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: „Arbeitnehmer, die in Deutschland auf Missstände hinweisen, begeben sich auf Glatteis. Es gibt keine klaren rechtlichen Regelungen, so dass sie die Konsequenzen ihres Tuns nicht abschätzen können. Wir fragen die künftige Kanzlerin Angela Merkel: Wollen wir so mit Menschen umgehen, die auf Missstände hinweisen? Wir erwarten gleichzeitig von der SPD, dass sie sich in den Koalitionsverhandlungen für einen verbesserten Whistleblowerschutz einsetzt, so wie sie es in ihrem Wahlprogramm angekündigt hat.“

In Deutschland genießen lediglich Beamte einen guten Schutz vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. Anders als Tarifbeschäftigte in der öffentlichen Verwaltung und Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft dürfen sie sich bei Korruptionsverdacht an die Staatsanwaltschaft wenden.

OECD, G20 und Europarat fordern Deutschland seit Langem auf, den Schutz für Whistleblower in der Privatwirtschaft zu verbessern. Die OECD hatte Deutschland daher bereits Anfang 2011 eine Zweijahresfrist eingeräumt, ihre Empfehlungen umzusetzen - leider ohne Erfolg. Deutschland ist jetzt erneut aufgefordert, bis März 2014 über Fortschritte zu berichten.

Vor Kurzem hatte Transparency Deutschland gemeinsam mit der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler und der deutschen Sektion der IALANA den Whistleblower-Preis an Edward Snowden verliehen. Mit diesem Preis wurde der Mut eines Mannes geehrt, der auf gravierende Missstände in den Reihen der Mächtigen hingewiesen hat.

„Whistleblower sind auf Seiten der Machtlosen. Sie biedern sich gerade nicht bei den Mächtigen an. Diese Zivilcourage verdient unsere Unterstützung“, so Müller auf der Pressekonferenz zur Verleihung des Whistleblowerpreises.

Gesetzlicher Whistleblowerschutz befördert Kultur der Offenheit

Rainer Frank, Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeber: „In Unternehmen besteht eine immer stärkere Bereitschaft, interne Whistleblowersysteme einzurichten. Den Mitarbeitenden wird somit signalisiert, dass die Leitung auf ihre Hinweise angewiesen ist. Leider ist die Wirtschaft sehr zögerlich, wenn es darum geht, den gesetzlichen Whistleblowerschutz einzufordern. Eine gesetzliche Regelung würde eine Kultur der Offenheit fördern.“

Prinzipien für einen guten gesetzlichen Whistleblowerschutz

Ein guter Whistleblowerschutz muss in jedem Fall zwei Prinzipien erfüllen:

• Wenn der Mitarbeitende eines Unternehmens oder einer Behörde Dinge wahrnimmt, von denen er oder sie ernsthaft und in gutem Glauben befürchtet, dass sie zu Schäden für Personen, Umwelt oder Vermögen führen können, muss das Recht bestehen, gegenüber dem Arbeitgeber oder dessen Beauftragten darauf hinzuweisen, ohne vor arbeitsrechtlichen oder anderen Konsequenzen Angst haben zu müssen.

• Wenn in diesem Fall offensichtlich ist, dass dem Hinweis nicht nachgegangen wird, muss ein Whistleblower auch die zuständigen Stellen außerhalb des Unternehmens ansprechen können.

Vergangene Reformbemühungen in Deutschland

Der letzte Versuch einer Neuregelung wurde unter der Großen Koalition im Jahr 2008 unternommen. Als Reaktion auf den Gammelfleischskandal sollte Arbeitnehmern das Recht zugestanden werden, sich an außerbetriebliche Stellen zu wenden, wenn der Arbeitgeber dem Verlangen nach Abhilfe nicht (ausreichend) nachkommt. Dazu sollte §612a des Bürgerlichen Gesetzbuches erweitert werden. Ein gemeinsamer Gesetzesvorschlag vom Justiz-, vom Verbraucher- und vom Arbeitsministerium wurde jedoch nicht vom Kabinett verabschiedet.

In der darauffolgenden Legislaturperiode sah die schwarz-gelbe Regierung keine Notwendigkeit, den gesetzlichen Schutz von Whistleblowern zu verbessern. Im Gegensatz dazu haben die Oppositionsparteien in der vergangenen Legislaturperiode Gesetzentwürfe oder Anträge zum Whistleblowerschutz eingebracht (Drs.17/8567, Drs. 17/9782, Drs. 17/6492), denen jedoch kein Erfolg beschieden war.

Zum Bericht

Der Bericht “Whistleblowing in Europe. Legal Protection for Whistleblowers in the EU“ untersucht die rechtlichen Rahmenbedingungen für Whistleblower in der öffentlichen Verwaltung und der Wirtschaft in 27 EU-Mitgliedstaaten. Kroatien war beim Start des Projektes noch nicht EU-Mitglied und ist somit nicht Teil der Untersuchung. Der Bericht wurde von der EU-Kommission teilfinanziert.

Die Länderkapitel basieren auf ausführlichen Berichten von Länderexperten. Guido Strack, Vorsitzender des Whistleblowernetzwerk e.V., hat in einem ausführlichen Bericht die rechtliche Situation in Deutschland analysiert. Sein Bericht diente als Grundlage für das Länderkapitel über Deutschland (S. 50-51).

Zum Bericht “Whistleblowing in Europe. Legal Protection for Whistleblowers in the EU“ (englisch) (pdf, 840 kB)

Kontakt

Prof. Dr. Edda Müller, Vorsitzende
Dr. Rainer Frank, Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeber
Dr. Christian Humborg, Geschäftsführer
Transparency International Deutschland e.V.
Tel.: 030 - 54 98 98 0