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Pressemitteilung zum Abgeordnetengesetz in Nordrhein-Westfalen

18.04.2005

Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat am 17. März 2005 eine Neufassung seines Abgeordnetengesetzes (AbgG) beschlossen. Sie hat zwei sachlich zusammenhängende, aber meist getrennt diskutierte Themen zum Gegenstand: Eine grundlegende Reform der Abgeordnetenbezüge und eine Neuregelung der Nebentätigkeiten. Während das Lösungsmodell für die Abgeordnetenbezüge über NRW hinaus in Medien und Politik auf Zustimmung gestoßen ist, blieb die Neuregelung der Nebenbeschäftigungen weitgehend unkommentiert.

Auch in NRW waren die Vorgänge um die Herren Laurenz Meyer, Hermann-Josef Ahrentz und andere der Anlass, eine Weiterentwicklung der Verhaltensregeln für Abgeordnete in Angriff zu nehmen. Mit der Novellierung seines AbgG hat der nordrhein-westfälische Landtag als erstes deutsches Parlament Konsequenzen aus Vorgängen gezogen, die in den letzten Monaten dem Ansehen des deutschen Parlamentarismus erheblichen Schaden zugefügt haben.

Inhaltlich ist zu begrüßen, dass nach dem neuen Gesetz

  • Einkommen ohne vertraglich geschuldete und erbrachte Gegenleistung nun ausdrücklich verboten ist;
  • die Abgeordneten künftig die Pflicht haben, ihren Beruf, Art und Umfang und ihrer wirtschaftlichen Tätigkeiten sowie Art, Umfang und Herkunft der daraus erzielten Einkünfte (über einem noch festzulegenden Mindestbetrag) dem Landtagspräsidenten anzuzeigen.

„Dennoch kann das verabschiedete Ergebnis trotz einiger Fortschritte nicht befriedigen. Substantielle Erwartungen an die Verbesserung der Transparenz zwischen Politik, Wirtschaft und Wählern bleiben unerfüllt.", erklärte Dr. Peter von Blomberg, stellvertretender Vorsitzender von Transparency Deutschland. Transparency Deutschland kritisiert in diesem Zusammenhang insbesondere die nicht konsequent geregelte Anzeigepflicht und eine unzureichende Lösung der Veröffentlichungs-pflicht.

„Dass die Pflicht zur Anzeige für andere, also ehrenamtlich wahrgenommene Tätigkeiten nur dann gelten soll, wenn der Abgeordnete selbst (!) der Meinung ist, die Tätigkeit könne auf für die Ausübung des Mandats bedeutsame (!) Interessenverknüpfungen hinweisen, ist nicht nachvollziehbar.", betonte Peter von Blomberg. „Dem Abgeordneten soll damit zugetraut und zugemutet werden, sich gleichsam selbst zu zensieren und ggf. an den Pranger zu stellen. Diese Abgrenzung dem Betroffenen selbst zu überlassen, bedeutet Verzicht auf Objektivität, Neutralität und Transparenz."

In keiner Weise befriedigen kann die Lösung der Veröffentlichungspflicht. Transparency Deutschland fordert - zusammen mit vielen anderen - eine nur durch gesetzlich zwingende Grenzen eingeschränkte Deckungsgleichheit von Melde- und Veröffentlichungspflichten. Das AbgG NRW verlangt für den Regelfall nur die Veröffentlichung des Berufes und der sonstigen Tätigkeiten und verzichtet auf jede Angabe zu deren Art, Umfang und Einkünften. „Den Wählern und der interessierten Öffentlichkeit soll also weiterhin verwehrt bleiben, sich ein fundiertes und faires eigenes Urteil über die Unabhängigkeit ihrer Abgeordneten zu bilden. Damit riskieren die Parlamentarier auch in Zukunft Vorgänge, die durch Indiskretion, partei- politische Instrumentalisierung und aggressive Berichterstattung dem Ansehen aller Politiker schaden.", kritisierte Peter von Blomberg.

Eine Veröffentlichung von Nebeneinkünften ist nur dann vorgesehen, wenn der Landtagspräsident in einem näher geregelten Verfahren eine Pflichtverletzung, einen Verstoß gegen Verbote oder eine Gefährdung der unabhängigen Ausübung des Mandats festgestellt hat. Die Veröffentlichung erfolgt allerdings nur in Form einer Drucksache. Zusammen mit der Pflicht zur Abführung einer verbotenen Zuwendung an das Land sind dies die einzigen Sanktionen, die das AbgG für Verstöße gegen die Verhaltensregeln bereithält. Es muss bezweifelt werden, dass sie als Abschreckungsschwelle ausreichen.

Bedenken bestehen weiterhin gegen die Behandlung von Spenden an einzelne Abgeordnete. „Die Novellierung des AbgG wäre eine gute Gelegenheit gewesen, dieses problematische Kapitel durch ein generelles Verbot radikal zu lösen.", erklärte Peter von Blomberg. Es besteht kein schutzwürdiges Bedürfnis für Geldgeschenke oder Spenden an einzelne Abgeordnete, auch nicht in begrenzter Höhe. Berechtigte Empfänger von Spenden sollten allein die Parteien in den Grenzen des Parteiengesetzes sein. Ausnahmen für fraktionslose Abgeordnete wären möglich.

Schließlich stellt sich die Frage, ob das Landtagspräsidium die geeignete Instanz ist, um sämtliche Aufgaben der Prüfung und Überwachung der Verhaltensregeln sowie der Verfolgung ihrer Verstöße wahrzunehmen. Schon die fehlende parteipolitische Neutralität weckt Zweifel an der Entschlossenheit und Objektivität, mögliche Verstöße aufzuklären und öffentlich zu machen. Wenn man weiter bedenkt, dass Aufgaben wie die Entgegennahme von vertraulichen Informationen (Mandantenschutz) oder von Verdachtshinweisen (Ombudsfunktion) hinzukommen, dann muss man es bedauern, dass der Landtag nicht dem Vorschlag gefolgt ist, einen wesentlichen Teil dieser Aufgaben einem unabhängigen Gremium („Ehrenrat") zu übertragen.

„Zwei Erfahrungen haben sich erneut bestätigt: Um die Regeln zur Verhinderung politischer Korruption zu verbessern, bedarf es skandalöser Vorgänge, die Druck erzeugen und Bewegung auslösen; dieser Druck reicht offenbar aber nicht bis zu der Einsicht, dass Parlamentarier jeden möglichen Zweifel an ihrer Unabhängigkeit ausschließen sollten.", resümierte Peter von Blomberg.

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Dr. Peter von Blomberg, Tel. 030-549898 0
Dagmar Schröder, Tel. 030-549898 0