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Pressemitteilung

Globales Korruptionsbarometer 2010

09.12.2010

Korruption nimmt insbesondere in Europa und Nordamerika nach Meinung von Bürgerinnen und Bürgern zu
Bereitschaft, sich gegen Korruption einzusetzen, ist hoch

Berlin, 09.12.2010 – Die Antikorruptionsorganisation Transparency International stellt heute die Ergebnisse des Global Corruption Barometer 2010 vor. Die jährliche Meinungsumfrage misst die Einstellungen und Erfahrungen von Bürgerinnen und Bürgern in Bezug auf Korruption. Sechs von zehn Befragten sind der Meinung, dass Korruption in den letzten drei Jahren zugenommen hat. Jeder Vierte berichtet, in den letzten zwölf Monaten Schmiergelder gezahlt zu haben.

In Europa und Nordamerika sind besonders viele Bürgerinnen und Bürger der Auffassung, dass sich eine negative Entwicklung abzeichnet. 73 Prozent der Befragten in Europa und 67 Prozent der Befragten in Nordamerika sind der Meinung, dass Korruption in den letzten drei Jahren zugenommen hat.

Gleichzeitig stellt die Studie fest, dass sieben von zehn Personen bereit sind, Hinweise auf Korruption zu melden.

Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International: „Die Meinung von Bürgerinnen und Bürgern wird noch immer von den Auswirkungen der Finanzmarktkrise geprägt. Weltweit müssen Institutionen ihre Anstrengungen verstärken, um das Vertrauen in ihr Wirken aufrecht zu erhalten. Es macht Hoffnung, dass sehr viele Menschen bereit sind, sich gegen Korruption einzusetzen. Diese Bereitschaft sollte gestärkt werden.“

Für das Global Corruption Barometer 2010 wurden mehr als 91.000 Personen in 86 Ländern durch Gallup International im Auftrag von Transparency International befragt. Die Umfrage konzentriert sich auf Erfahrungen mit Schmiergeldzahlungen und die Beurteilung verschiedener Institutionen nach ihrer wahrgenommen Korruption. Die Befragten werden außerdem gefragt, welchen Institutionen sie am meisten zutrauen, Korruption zu bekämpfen.

Regionale Verbreitung von Schmiergeldzahlungen

Eine von vier Personen gibt an, in den vergangenen zwölf Monaten an eine öffentliche Einrichtung Schmiergeld gezahlt zu haben. Zu den neun zur Auswahl stehenden Einrichtungen gehören beispielsweise Institutionen des Gesundheits- und Bildungswesens sowie Finanzbehörden. Am meisten wird die Polizei „geschmiert“. Über dreißig Prozent der Befragten, die in den letzten zwölf Monaten Kontakt zu einer Polizeibehörde hatten, haben dort ein Bestechungsgeld gezahlt.

Im zentralen und südlichen Afrika wurden die meisten Bestechungsgelder gezahlt: Mehr als die Hälfte der hier befragten Personen gab an, in den letzten zwölf Monaten „geschmiert“ zu haben. Im Mittleren Osten und Nordafrika waren es nur 36 Prozent, 32 Prozent in den ehemaligen Ostblockstaaten, 23 Prozent in Lateinamerika, 19 Prozent im Westbalkan und in der Türkei, 15 Prozent in Ostasien und Ozeanien und gerade mal fünf Prozent in der EU und Nordamerika.

In über zwanzig Ländern sind bedeutend mehr Schmiergelder geflossen als im Jahr 2006. Am meisten „geschmiert“ wurde laut Umfrage in Afghanistan, Kambodscha, Kamerun, Indien, Irak, Liberia, Nigeria, in den Palästinensischen Gebieten, Senegal, Sierra Leone und Uganda. Hier gab mehr als die Hälfte der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten ein Schmiergeld gezahlt zu haben.

Fast fünfzig Prozent der Befragten gaben an, Schmiergelder zur Vermeidung von Problemen mit den Behörden gezahlt zu haben. Ein Viertel der Befragten habe es zur Beschleunigung eines Vorganges gezahlt.

Am meisten beunruhigt der Fakt, dass sich Bestechungszahlungen an die Polizei seit 2006 verdoppelt haben. Anlass zur Sorge bietet auch der Anstieg der Schmiergeldzahlungen im Gerichtswesen und bei Zulassungsbehörden.

Bestechung und Armut

Jüngere sowie sozial schwache Menschen werden besonders stark durch Korruption benachteiligt. Personen mit niedrigem Einkommen zahlen häufiger Bestechungsgelder als solche mit hohem Einkommen. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen früherer Umfragen. Die Wahrscheinlichkeit, dass jemand aus einer einkommensschwachen Schicht Schmiergeld für Leistungen der Grundversorgung, wie zum Beispiel Bildung, zahlen muss, ist doppelt so hoch wie für jemanden aus einer einkommensstarken Schicht.

“Korruption ist eine regressive Steuer, die benachteiligte und arme Menschen am härtesten trifft. Diese Ungerechtigkeit darf nicht akzeptiert werden. Regierungen sollten korruptionsanfällige Bereiche der Grundversorgung identifizieren und ihre Bürgerinnen und Bürger schützen“, so Labelle.

Ein Drittel der unter Dreißigjährigen gab an, in den letzten zwölf Monaten ein Bestechungsgeld gezahlt zu haben. Bei den über 51-jährigen war es weniger als ein Fünftel.

Vertrauensverlust in Amtsträger

Leider vertrauen nur wenige Menschen ihren Regierungen und Politikern. Acht von zehn Personen gaben an, dass sie politische Parteien für korrupt oder sehr korrupt halten. Damit stehen politische Parteien an der Spitze des Rankings, gefolgt vom öffentlichen Sektor und dem Parlament.

Die Hälfte der Befragten gab an, dass sie die Maßnahmen ihrer Regierung zur Korruptionsbekämpfung für ineffektiv halte. Hier gibt es gegenüber den Vorjahren kaum Veränderung bei den Umfrageergebnissen. In Ostasien und Ozeanien, Lateinamerika sowie im zentralen und südlichen Afrika haben sich die Umfragewerte seit 2007 allerdings leicht verschlechtert. Gleichzeitig haben sie sich in Nordamerika und den ehemaligen Ostblockstaaten verbessert.

Ein Großteil der Befragen (sieben von zehn Personen) gab an, dass sie bereit sind Hinweise auf Korruption zu melden. Allerdings sinkt diese Bereitschaft auf die Hälfte der Befragten, wenn die Befragten selbst Opfer von Korruption wären.

“Die Ergebnisse des diesjährigen Barometers zeigen, wie heimtückisch Korruption ist. Sie führt dazu, dass Menschen ihren Glauben an Institutionen verlieren. Die gute Nachricht ist, dass die Menschen bereit sind, sich ihr entgegenzustellen“ so Labelle. „Entscheidend sind hierfür ein besserer Schutz für Hinweisgeber und leichterer Zugang zu Informationen. Öffentliches Engagement gegen Korruption wird die Behörden zum Handeln zwingen und es wird die Menschen dazu motivieren, sich für eine transparentere und integere Welt einzusetzen.“

Transparency International ist die im Kampf gegen Korruption führende globale Organisation der Zivilgesellschaft.

 

Anmerkung: Für das Barometer, das in diesem Jahr zum siebenten Mal erscheint, wurden in 86 Ländern im Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 30. September 2010 Befragungen durchgeführt. Das Unternehmen Gallup International war in 84 Ländern für die Befragungen verantwortlich. In Bangladesch führte die nationale Sektion von Transparency International die Umfragen durch. In der Mongolei wurde die Umfrage von der nationalen Antikorruptionsbehörde „Independent Authority against Corruption of Mongolia“ durchgeführt. Den ausführlichen Bericht und alle Daten (inklusiver Länderranking) finden Sie hier

Weiterführenden Materialien

Global Corruption Barometer 2010 (englisch) (pdf, 4 MB)

FAQs zum Global Corruption Barometer 2010 (deutsch)

Englische Version dieser Pressemitteilung

Kontakt

Englischsprachig
Transparency International
Deborah Wise Unger
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Tel: + 49 30 34 38 20 662