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Erfahrungsaustausch für Ombudsleute des privaten und des öffentlichen Sektors

Datum: 25.04.2016
Ort: Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin

Am 25. April 2016 haben die Arbeitsgruppe Hinweisgeber von Transparency International Deutschland und das Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinsam einen Erfahrungsaustausch für Ombudsleute des privaten und des öffentlichen Sektors veranstaltet. Die Tagung fand in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund in Berlin statt.

 


Veranstaltungsbericht

Eröffnet wurde die Fachtagung von dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Thomas Kutschaty, mit einem Impulsvortrag zum Thema "Whistleblowing in privaten Unternehmen - Was uns die Panama-Papiere über Compliance lehren". Dabei sprach sich Minister Kutschaty unter anderem für die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland aus. Dazu habe NRW einen Gesetzentwurf vorgelegt. Dieser sehe vor, dass mit Zustimmung des Unternehmens ein Compliance-Plan erstellt wird, der überwacht wird und im Falle der Umsetzung binnen einer angemessenen Frist das Absehen von Strafe zur Folge hat. Ein Baustein eines solchen Plans könne ein unternehmensinternes Whistleblower-System sein. Mehr

Danach präsentierte Dr. Nico Herold vom Lehrstuhl für Strafrecht und Kriminologie der LMU München "Empirische Befunde zu den Entscheidungsprozessen von Hinweisgebern". Demnach gebe es unter Hinweisgebern verschiedene Persönlichkeitstypen, die ein unterschiedlich hohes Whistleblowing-Potential (Wahrscheinlichkeit des Whistleblowings), unterschiedliche Motive und unterschiedliche Problemlösungsansätze aufweisen. Externes Whistleblowing, also das Hinweisgeben außerhalb des "normalen Dienstwegs", sei aber fast immer ein "hausgemachtes" Problem der betroffenen Organisationen, weil diese keinen adäquaten Umgang mit Hinweisen bzw. Whistleblowing aufweisen könnten. Mehr

Nach einem Mittagsimbiss mit Gelegenheit zum Austausch und Networking gab Dr. Gisela Rüß, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland, einen Impulsvortrag zum Thema "Das Schweigen vor dem Skandal". Sie führte beispielhaft zwei Korruptionsfälle an, bei denen es vor Bekanntwerden viele Mitwisser gab, aber auch weit verbreitetes Schweigen herrschte. 

Wie können diese Mitwisser dazu bewogen werden, Whistleblowing zu betreiben und frühzeitig Hinweise zu geben? Könnten finanzielle Anreize ein adäquates Mittel sein? Dazu moderierte Peter Hammacher, Mitglied und ehemaliger Leiter der AG Hinweisgeber bei Transparency Deutschland, eine Podiumsdiskussion, bei der er in Personalunion auch Pro- und Kontraseite vertrat. Zunächst beleuchtete er mögliche Auswirkungen finanzieller Anreize für Whistleblower auf den Staat bzw. die Strafverfolgungsbehörden. Für die Anreize spreche zum einen der große gesamtwirtschaftliche Schaden, der aus Korruption resultiert, und die positiven Erfahrungen, die in den USA gemacht wurden. Dagegen spreche zum anderen die Tatsache, dass Whistleblower auch ohne Anreize Hinweise geben, und die höheren Aufwände, die Strafverfolgungsbehörden durch Prämien und Bearbeitung von mehr Hinweisen entstehen. Die vermuteten Auswirkungen auf Unternehmen haben ebenfalls zwei Seiten: Einerseits seien Prämien marktkonform und würden dazu beitragen, Leistungsträger im Unternehmen zu halten. Andererseits werde den Unternehmen die Möglichkeit genommen, aufkommende Probleme selber zu lösen. Zuletzt wurden die Auswirkungen einer Whistleblowing-Prämie auf die Gesellschaft beleuchtet. Für finanzielle Anreize spreche, dass es um die Prävention von Verbrechen und schweren Missständen gehe - dies sei im öffentlichen Interesse. Auch die Kronzeugenregelung sei seinerzeit sehr umstritten gewesen, werde aber jetzt als clever und effektiv angesehen. Dagegen spreche, dass dies das Bild des Hinweisgebers vom "ethischen Dissidenten" zum "moral-neutralen Geschäftsmodell" wandeln könnte, oder, noch schlimmer, zum bezahlten Denunzianten, der im deutschen historischen Gedächtnis noch präsent ist.

In der nachfolgenden Diskussion kam die Frage auf, ob finanzielle Anreize die Glaubwürdigkeit eines Whistleblowers mindern könnten. Dem wurde unter anderem entgegnet, dass das deutsche Strafrecht auch andere Anreize (z. B. Kronzeugenregelung, Windhundprinzip im Kartellrecht) vorsehe, die die Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht beeinträchtigten. Auch das Kontra-Argument, Whistleblower-Prämien würden eine Misstrauenskultur begünstigen, wurde abgewiesen - dieses könne auch gegen Whistleblowing-Systeme ohne finanzielle Anreize angeführt werden, die - so der Konsens - allgemein positive Auswirkungen haben.

Die Tagung war die vierte Veranstaltung in der Reihe "Erfahrungsaustausch für Ombudsleute" von Transparency Deutschland. Aufgrund der positiven Resonanz wird eine fünfte Veranstaltung sicher folgen.

9.5.2016, Caro Glandorf

Thomas Kutschaty [Transparency Deutschland/CG]
Dr. Rainer Frank [Transparency Deutschland/CG]
Dr. Nico Herold [Transparency Deutschland/CG]
Dr. Peter Hammacher [Transparency Deutschland/CG]
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