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Von Siemens zu Mossack Fonseca: Die Ermittlungen nach den Panama Papers als Best-Practice-Modell

13.10.2025

Der Fall 

Als die Panama Papers im April 2016 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurden, standen deutsche Ermittlungsbehörden vor einer enormen Herausforderung. Die geleakten Daten der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca enthüllten ein globales Netzwerk von Offshore-Geschäften, das auch deutsche Unternehmen und Personen betraf.  

Besonders brisant war der Fall eines ehemaligen Siemens-Managers, der bereits im Siemens-Korruptionsskandal von 2006 eine zentrale Rolle gespielt hatte. Damals hatte das Unternehmen über Jahre hinweg Bestechungsgelder durch ein System aus Scheinfirmen und schwarzen Kassen verschleiert, was zu Rekordstrafen von 1,6 Milliarden US-Dollar führte. Der Beschuldigte selbst war nur mit einer geringen Geldstrafe belegt worden, da ihm persönliche Bereicherung nicht nachgewiesen werden konnte.  

Die Panama Papers enthielten neue Indizien: Sie deuteten darauf hin, dass er möglicherweise nicht alle Gelder zurückgeführt, sondern Teile privat vereinnahmt hatte – ein schwerwiegender Verdacht, der sowohl für Siemens als auch für die Ermittler:innen von großer Bedeutung war. 

Herausforderung 

Doch die Aufklärung gestaltete sich schwierig. Zwar kannten die deutschen Ermittler:innen die Strukturen des früheren Siemens-Skandals, doch die relevanten Kanzleien wie Mossack Fonseca lagen außerhalb ihrer Zuständigkeit - in Panama, bekannter Offshore-Schattenfinanzplatz und Steueroase. Formelle Rechtshilfeverfahren zwischen den Ländern dauerten oft bis zu zwei Jahre – viel zu lang für sich dynamisch gestaltende Korruptionsermittlungen.  

Die Panama Papers zeigten damit nicht nur die globalen Verflechtungen von Korruption, Geldwäsche und Schattenfinanzplätzen, sondern auch die strukturellen Hürden, mit denen internationale Strafverfolgung konfrontiert ist. 

Inländische Zusammenarbeit 

Die deutsche Staatsanwaltschaft und das Bundeskriminalamt (BKA) reagierten jedoch schnell und effizient. Das BKA entschied, Teile der Panama-Daten von einem geheimen Informanten zu erwerben, mit einer neu gegründeten 32-köpfigen Task Force zu analysieren und sich damit an die Staatsanwaltschaft München I zu wenden, die bereits den Siemens-Fall von 2006 bearbeitet hatte. Die Münchner Staatsanwält:innen kannten die komplexen Firmen- und Zahlungsstrukturen aus den früheren Ermittlungen und konnten daher schnell bestätigen, dass die neuen Daten plausibel und anschlussfähig waren.  

Diese Vorarbeit ermöglichte eine zügige Einordnung der neuen Erkenntnisse. Zusätzlich fragte das BKA weitere relevante Informationen über wirtschaftlich Berechtigte, Unternehmens- und Vermögensstrukturen und Bankkonten in Deutschland ab, was die Daten- und Beweislage ergänzte. Diese enge Zusammenarbeit zwischen BKA und Staatsanwaltschaft war wegweisend für den Erfolg der komplexen Ermittlungen. 

Häufig scheitern komplexe Ermittlungen an fehlenden personellen Ressourcen bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Neben der 32-köpfigen Task Force der Polizei hatte jedoch auch die Staatsanwaltschaft München I ausreichend personelle Ressourcen gesichert, um den Fall zügig aufarbeiten zu können. Das beweist: Wenn Fälle richtig priorisiert werden und ausreichend Kapazitäten für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt werden, sind zeitnahe Fortschritte auch in komplexen Fällen möglich. 

Grundlage dieses Erfolgs ist die in Deutschland vergleichsweise flexible Beweisregelung. Anders als etwa in den USA gilt hier nicht die sogenannte „Fruit of the Poisoned Tree“-Doktrin, nach der rechtswidrig erlangte Beweise grundsätzlich unverwertbar sind. In Deutschland besteht kein allgemeines Beweisverwertungsverbot: Nach der Strafprozessordnung (§§ 136a, 160a, 244 Abs. 2 StPO) und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist vielmehr eine Abwägung im Einzelfall erforderlich. Auch Daten, die von Privaten auf unrechtmäßige Weise erlangt wurden – etwa durch Whistleblower –, können unter bestimmten Voraussetzungen Ermittlungen auslösen und gegebenenfalls im Verfahren verwertet werden. Maßgeblich ist dabei eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung (Art. 20 Abs. 3 GG) und den Grundrechten der Betroffenen, insbesondere dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG).  

Internationale Zusammenarbeit 

Traditionell dauern internationale Ermittlung so lange, weil formelle Rechtshilfeverfahren – auch in dringenden Fällen - bis zu zwei Jahre in Anspruch nehmen können. Um die Ermittlungen zu beschleunigen, nutzen die deutschen Strafverfolgungsbehörden deswegen neben den formellen auch informelle Möglichkeiten der internationalen Kooperation.  

So setzte das BKA zum Beispiel die Verbindungsbeamten ein, die bereits in Panama stationiert waren. Verbindungsbeamte des BKA sind speziell ausgebildete Mitarbeiter:innen, die im Ausland stationiert sind, um die Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) und ausländischen Strafverfolgungsbehörden zu koordinieren. Sie fungieren als direkte Ansprechpartner:innen, unterstützen bei Ermittlungen, tauschen Informationen aus und fördern die internationale Zusammenarbeit. Das BKA hat solche Verbindungsbeamte in zahlreichen Ländern, darunter in den USA, der Türkei, den Niederlanden, Österreich und anderen. Sie arbeiten eng mit Interpol, Europol und lokalen Behörden zusammen, um grenzüberschreitende Straftaten effizienter zu bearbeiten. Die persönlichen Netzwerke der Verbindungsbeamten in Panama ermöglichten einen schnellen, informellen Austausch – wesentlich effizienter als mit formellen Rechtshilfeverfahren. 

Auch darüber hinaus priorisierten die zuständigen Behörden den persönlichen Austausch mit ausländischen Partnerbehörden: Durch zwei gegenseitige Delegationsbesuche in Deutschland und Panama konnten sich die deutschen und panamaischen Strafverfolgungsbehörden direkt auszutauschen und gemeinsam Ermittlungen zügig voranbringen. Dieser Austausch war informell, effizient und vertrauensbasiert – ein Modell, das sich bewährte.  

Darüber hinaus analysierte das BKA die Panama-Papers-Daten hinsichtlich weiterer involvierter Länder und stellte danach eigeninitiativ länderspezifische Datenpakete zusammen. Durch diese proaktive Datenweitergabe an Partnerländer, wie z.B. Tschechien, vereinfachten deutsche Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen auch in anderen betroffenen Partnerstaaten.  

Ergebnis 

Dank der gelungenen nationalen und internationalen Zusammenarbeit konnten die deutschen Strafverfolgungsbehörden rund 2 Millionen Euro nachverfolgen und einfrieren, die von Südamerika über die Schweiz nach Deutschland transferiert worden waren. Dies war die erste erfolgreiche Beschlagnahme nach dem neuen "Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung" vom 21.04.2017 (Bundesgesetzblatt).Der Beschuldigte räumte schließlich die Vorwürfe ein und wurde zu einer einjährigen Bewährungsstrafe wegen Untreue verurteilt. Zusätzlich musste er eine Geldstrafe zahlen und erstattete Siemens über 2 Millionen Euro

Lessons Learned 

Die Ermittlungen nach den Panama Papers zeigen, dass grenzüberschreitende Korruption, Geldwäsche und Schattenfinanzenstrukturen nur durch effiziente inländische und internationale Zusammenarbeit effektiv bekämpft werden können.  

Wichtige Best Practices sind  

  • Nutzung investigativer Recherchen von Journalist:innen und Zivilgesellschaft
  • Erwerb von Daten und Vergleich dieser mit Daten ehemaliger Ermittlungen
  • Einführung einer flexiblen Beweislastregelung
  • Enge inländische Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft, ggf. durch eine gemeinsame Task Force
  • Bereitstellung ausreichender personeller Ressourcen
  • Stärkung und Nutzung informeller Netzwerke zwischen Partnerländern, wie zum Beispiel durch BKA-Verbindungsbeamte, Delegationsreisen und weitere Austauschmöglichkeiten (internationale Tagungen, Europäisches Justizielles Netzwerk) für langfristige vertrauensvolle Zusammenarbeit
  • Proaktive Datenweitergabe an weitere Partnerländer. 

Die deutsche Staatsanwaltschaft und das BKA haben mit ihrer Vorgehensweise ein Vorbild für zukünftige Fälle geschaffen, das zeigt, wie schnelle, flexible und vernetzte Ermittlungsstrukturen internationale Finanzkriminalität aufdecken können. 

 

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